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Kultur: Berliner Kulturpolitik: Schluss mit dem Pingpong!

Der 23. Juni 1999 ist ein wichtiges Datum für das Berliner Philharmonische Orchester.

Der 23. Juni 1999 ist ein wichtiges Datum für das Berliner Philharmonische Orchester. An diesem Tag nämlich wählten die Musiker mit überwältigender Mehrheit Sir Simon Rattle zum Nachfolger Claudio Abbados. Fast zwei Jahre ist das nun her - und der designierte Chefdirigent hat immer noch keinen Vertrag. Deshalb schlägt jetzt sein Manager Alarm: Martin Campbell-White leitet die Londoner Konzertagentur Askonas Holt und vertritt Rattle seit dessen 17. Lebensjahr. Aber er ist auch mit den Philharmonikern vertraut. Seine Firma organisiert die Londoner Auftritte sowie die Japan-Tourneen des Orchesters. "Ich habe Angst", sagt Campbell-White im Gespräch mit dem Tagesspiegel, "dass Rattle der Geduldsfaden reißt. Ich spreche nicht in seinem Auftrag, aber ich kenne ihn sehr gut. Wenn nicht bald etwas passiert, befürchte ich, wird er über alternative options nachdenken."

Das ist keine leere Drohung: Rattle kann hingehen, wo er will - überall würde man den Ausnahmedirigenten mit offenen Armen empfangen. "Aber er will nach Berlin, er liebt das Orchester, empfindet es als große Ehre, Abbado nachzufolgen", betont Campbell-White. "Ab 2003 haben wir quasi alle internationalen Angebote abgelehnt, weil Rattle frei sein will für die Arbeit in Berlin. Denn er ist sich sicher, dass die Philharmoniker und er Großes für die Stadt leisten können, ich möchte sogar sagen: für die deutsche Kultur."

Genau darum nämlich geht es für Campbell-White: Um das Renomée der deutschen Kultur in der Welt. Unvorstellbar, was in der britischen Presse los wäre, wenn Rattle vor Amtsantritt seinen Job in Berlin hinschmeißen würde. Aber nicht nur der britische Stardirigent, auch viele andere Künstler würden es sich überlegen, ob sie künftig noch in Berlin arbeiten wollten, wenn das politische Klima so kulturfeindlich bliebe, davon ist der Musikmanager überzeugt. "Berlin hat das Zeug dazu, die europäische Hauptstadt der Musik zu werden - doch der Senat muss endlich aufhören, Kultur als political football zu begreifen. Die Forderung, jede Partei solle im Stiftungsrat der Philharmoniker eine Stimme erhalten, ist absolut unpraktikabel. Das würde das Orchester zu einem zweiten Parlament machen."

Zweifellos sei die Schuldenlast für Berlin erdrückend, gesteht Campbell-White zu. Doch Birmingham, die Stadt, in der Rattle seine Weltkarriere startete, war auch alles andere als ein Treffpunkt der Reichen - trotzdem hat man dem Orchester dort einen neuen Konzertsaal gebaut. Damit verglichen nimmt sich der Wunsch nach einem eigenen Etat für Jugendarbeit und Rahmenveranstaltungen zum Philharmoniker-Programm ebenso bescheiden aus wie die 2,3 Millionen Mark, die eine Vergütungsanpassung der Musiker kosten soll. "Zumal die Einkommen im internationalen Vergleich keinesfalls exorbitant hoch sind", wie Campbell-White hinzufügt. Und auch Rattles eigene Gehaltsforderungen hielten sich absolut in Grenzen. "Letztlich geht es doch nur um eins: um die Zukunft des besten Orchesters der Welt."

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