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Berliner Kunstmesse: Farblichtblick

Die Paper Positions startet als erste Berliner Messe in den Kunstherbst.

Einsam liegt die Figur im Bett. Fast lebensgroß, in einem Raum, der im ebenso schwarz-weiß-grau-nuancierten Ungefähren liegt wie die Stimmung, das Geschlecht, die Situation. Iris Schomaker ist eine Meisterin der unterkühlten Reduktion. Ist es Melancholie, Abgeklärtheit oder klirrend kalte Wut?

In der zeichenhaften Komprimierung gelingt der 1973 in Stade geborenen Künstlerin, die in Kiel sowie im norwegischen Trondheim und Bergen studiert hat, eine faszinierende Offenheit für bildnerische wie emotionale Projektionsflächen. Geradezu trotzig wirkt die zartrosa Zudecke, an deren Rändern eine zweite in kräftigen Orangetönen hervorlugt. Farblichtblick und Schutz in lähmenden Pandemie-Zeiten. Ein Statement vielleicht, auf jeden Fall ein starker Auftritt für das Medium Papier. Im Foyer widmet die Berliner Kunstmesse Paper Positions Schomaker, vertreten durch die Galerie Thomas Schulte, eine Sonderpräsentation, weil sie vergangenes Jahr Preisträgerin des Paper Positions Award war.

Diesmal geht der Preis, den die Messe seit 2019 gemeinsam mit der Hamburger Kanzlei RKA Rechtsanwälte ausschließlich an Künstlerinnen verleiht, an Nora Schattauer. Schattauer, in Köln lebend, wird vom Düsseldorfer Galeristen Rupert Pfab vertreten. Er durfte sich am Eröffnungsabend gleich zweimal freuen. Erhielt doch die ebenfalls von ihm vertretene Astrid Busch für ihre ins dreidimensionale geknüllten Pigmentdrucke auf Aluminium den zweiten Preis des Paper Art Award. Eine neue, eine zweite Auszeichnung für Arbeiten auf, aus und über Papier, die dem Medium einen weiteren Schub und die verdiente Aufmerksamkeit verleihen soll. Für den mit insgesamt 36.000 Euro dotierten Preis kooperieren die Paper-Position-Chefs Kristian Jarmuschek und Heinrich Carstens mit den Initiatorinnen des jüngst in Mitte eröffneten Haus des Papiers, den Unternehmerinnen Annette Berr und Ul Vohrer, die außerdem die Firmen Hahnemühle und Canon mit ins Boot geholt haben. „Wir sind Papierverrückte“, so Annette Berr in ihrer launigen Rede zur Preisverleihung, „und möchten in die Künstler:innen und auch in die Galerien investieren, damit Papier in der Zukunft den gleichen Wert bekommt, wie andere Kunst-Stoffe!“

Platz drei belegte die Bildhauerin Angela Glajcar (Galerie Nanna Preußners, Hamburg), den am höchsten dotierten Preis allerdings erhielt Fiene Scharp. Die 1984 geborene Berlinerin schneidet und schichtet Raster aus antiquarischen Papieren, deren letztlich übrig gebliebene Linien vor allem die Leerstellen umspielen und zu einem faszinierenden, rhythmisch konkreten Seherlebnis machen (Galerie Kuckei + Kuckei).

[Paper Positions Berlin, Deutsche Telekom Hauptstadtrepräsentanz, Französische Str. 33 a-c; So, 10-18 Uhr (bis 12 Uhr nur mit Vip-Karte). www.paperpositions.com/berlin]

Wie eine zeitgenössische Weiterentwicklung der Linienbilder und -reliefs von Leo Erb aus den 1960er-Jahren, die Malte Uekermann Kunsthandel auf der Messe neben Serigrafien von Josef Albers und Rupprecht Geiger präsentiert.

Kunst der Nachkriegsmoderne ist ansonsten rar, ebenso wie die klassische Moderne, die allein Thole Rotermund aus Hamburg mit Druckgrafiken von Lyonel Feininger, Franz Marc und Emil Nolde offeriert.

Die Schönheit des Papiers

Mit insgesamt 49 Aussteller:innen aus 16 Ländern und 118 Künstler:innen ist die fünfte Ausgabe der Paper Positions klar auf die Gegenwart abonniert. Die historische Halle der Telekom Hauptstadtrepräsentanz sowie die Konzeption der Messe, die auf die sonst üblichen Kojen verzichtet, bieten mit einer offenen und lichten Ausstellungsarchitektur erhellende Sichtachsen zur Vielfalt des Mediums. Eine lebendige Konzentration auf das Wesentliche, auf das unerschöpfliche Wesen der Materie Papier. Mit installativen und skulpturalen Objekten wie den aus 400 Gramm schwerem Papier amorph gerissenen und hintereinander gereihten „Terforationen“ von Angela Glajcar oder den voluminösen Papierschnitten von Gabriele Basch (Galerie Carolyn Heinz, Hamburg). Ein einziges Blatt hat der Bildhauer Jürgen Krause so oft gedreht und gewendet und es jedes Mal mit Kreidegrund bestrichen, bis es wie ein Stapel edles Büttenpapier anmutet, den die Frankfurter Galerie Anita Beckers in einer großzügigen Vitrine präsentiert. Bei CA Franches-Montagnes aus dem Schweizer Jura zeigt Jurgen Ostarhild „Non Digit Colors“, mit denen digitale Codes von Farben sozusagen enttarnt werden. Die sechs Buchstaben und Ziffern eines jeden Pixels changieren auf schwarz-weißen Offsetdrucken spannungsvoll zwischen konkreter Poesie und konkreter Kunst. Sehenswert außerdem die geheimnisvollen, konzeptuellen Zeichnungen des 1995 geborenen Letten Janis Sneiders bei Maksla XO, die dreidimensionalen Bleistiftlandschaften von Ulrike Heydenreich bei Wichtendahl oder Saïdou Dickos handbemalte und digital collagierte Fotografien bei Artco (Aachen / Berlin / Kapstadt).

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