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Bob Ross

© Imago

Berliner Philharmonie: Knautschzonenmusik

Richard Wagners "Ring" in drei Minuten? Solo auf dem Gartenschlauch? Oder vielleicht doch lieber ein philharmonischer Rap? Bob Ross und sein Münchner "Blechschaden" gastieren in der Berliner Philharmonie.

Die Berliner Philharmonie, ein Tempel der Blasmusik? Ja, zumindest Anfang Januar: Im Kammermusiksaal ist bereits seit Jahren „Weltblech“ zu hören, das aus dem Jeunesse-Musicale-Weltorchester hervorgegangene Bläserensemble, und im Großen Saal hat sich seit 2005 ein Ensemble eingenistet, das die Toleranz der Hauptstädter gegenüber kalauernden Ensemblenamen und der dazu passenden Musik auf eine mindestens ebenso harte Probe stellt. Die Rede ist von „Blechschaden“ und seinem Leiter Bob Ross.

Die Mitglieder des Ensembles sind im Hauptberuf Orchestermusiker bei den Münchner Philharmonikern und damit zu lebenslänglichem Frackzwang in der Münchener „Kulturvollzugsanstalt“ am Gasteig verurteilt. Darum verwandeln sie sich regelmäßig in „Blechschaden“, um sich mal so richtig auszutoben. Richard Wagners „Ring“ in drei Minuten? Solo auf dem Gartenschlauch? Oder vielleicht doch lieber ein philharmonischer Rap? Bob Ross ist für alles zu haben. „Blechbläser“, so stellt er fest, seien ohnehin „die Proleten des Orchesters“.

Er muss es wissen: Schließlich begann Ross seine Karriere in einer jener britischen Arbeiterblaskapellen, die durch den Film „Brassed Off“ international bekannt wurden. Die besten von ihnen treffen sich alljährlich zum Wettbewerb in der Londoner Royal Albert Hall.

Am Glasgower Royal College of Music zum Hornisten ausgebildet, wurde Ross vom Schicksal 1979 zur „Fremdenlegion“ der Münchner Philharmoniker verschlagen. In einer schwachen Stunde verführte er seine Bläserkollegen dort mit der Musik seiner Heimat – „und weil ich die Noten mitgebracht hatte“, witzelt Ross, „durfte ich auch dirigieren“. „Blechschaden“ war geboren. Seitdem lockt das Ensemble sein Publikum mit virtuosen Programmen aus der Knautschzone zwischen Bach und Bon Jovi an.

Respekt hat der 1,58 Meter große Schotte („mich kann man nicht kürzen“) vor keiner Größe. Noch nicht einmal vor Sergiu Celibidache alias „Celigaddafi“, dem gefürchteten ehemaligen Chef der Münchner Philharmoniker – auch wenn ihm sein britischer Humor, gekoppelt mit dem Mut zum Widerspruch, zunächst einmal ein zweijähriges Spielverbot in den Konzerten des alten Herrn einbrachte. Eine Charakterfestigkeit, die Ross’ Rolle von der eines bloßen Comedians unterscheidet. Wobei Ross seine Zuhörer gewöhnlich schneller zum Lachen bringt, denn er hat die Gabe, selbst schlechte Witze gut erzählen zu können. Und von denen werden in den hinteren Reihen eines Spitzenorchesters mehr verbreitet, als es sich die Zuhörer in den ersten Publikumsreihen träumen lassen.

Berührungsängste kennt der begeisterte Fußballfan Ross, der auch gerne mal im Schottenrock dirigiert, nicht: Dass er bei Karl Moik, dem Feindbild aller „bayerischen Taliban“, eine stehende Einladung hat, heftet er sich ebenso als Erfolg ans Revers wie das Kunststück, einem Schrotthändler aus der Gegend von Stuttgart die Internetdomain „blechschaden.de“ zum Schottentarif abgeluchst zu haben.

Mit der entspannenden Neujahrsbotschaft, dass Lust auf Perfektion keine Unnahbarkeit bedeuten muss, könnten die Herren wohl noch manches Jahr erfolgreich den Weißwurstäquator überschreiten. Hauptsache, es sind keine Streicher dabei. Denn wie erklärt Ross den Unterschied zwischen einer Waschmaschine und einem Geigensolo? „Die Waschmaschine vibriert gleichmäßig – und es kommt etwas Sauberes raus.“

Blechschaden, 2. Januar, 20 Uhr, Philharmonie; Weltblech, 4. Januar, 20 Uhr, Kammermusiksaal der Philharmonie

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