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Mach hoch die Tür, das Ohr mach weit. Konzert eines Philharmoniker-Ensembles in der Stiftskirche.

© Festival

Berliner Philharmoniker: Klingende Landschaften

Das Wetter könnte besser sein, aber sonst herrscht große Zufriedenheit. Eine Bilanz des ersten Baden-Badener Osterfestivals der Berliner Philharmoniker.

Sie haben versucht, eine ganze Stadt zum Blühen zu bringen. Haben Zierkirschbäume in Folie vor der Kälte geschützt, bevor sie an den Baden-Badener Konzertorten platziert wurden. Dort stehen sie nun mit ihren wenigen Blüten im eisigen Wind. „Das Wetter könnte besser sein“, sagt Festspielhaus-Intendant Andreas Mölich-Zebhauser beim Pressegespräch nach vier Festivaltagen. Ansonsten aber herrsche größte Zufriedenheit. 30 000 Tickets hat man im Vorfeld verkauft, Philharmoniker-Intendant Martin Hoffmann wie Simon Rattle schwärmen von einem Deutschland abseits der hektischen Metropolen.

Kirschblütenrosa ist die Farbe der ersten Osterfestspiele Baden-Baden. Die Fahnen in der Stadt, die Dekoration im Festspielhaus und auch die Rosen, die nach dem Konzert hier an jede Besucherin verteilt werden: alles kirschblütenrosa. „Wenn wir abends in der Stadt etwas essen gehen, erkennen wir an den Rosen, wer im Konzert war. Und kommen mit den Zuhörern ins Gespräch“, sagt Sarah Willis. Die Hornistin ist begeistert von der Aufgeschlossenheit der Baden-Badener. Dabei waren die Bedenken im Vorfeld durchaus spürbar. Der Abschied von Salzburg fiel schwer. Und man konnte sich nicht richtig vorstellen, wie man im verschlafenen 55 000-Einwohner-Kurstädtchen eine Plattform finden sollte für ein Festival, das musikalische Exklusivität mit Breitenwirkung verbinden will. Aber die Osterfestspiele Baden-Baden sind tatsächlich ein anderes Festival geworden. Der Glamourfaktor tendiert gegen Null. Hier geht es nicht ums Gesehenwerden, sondern ums Hören, um Werkeinführungen statt Blitzlichtgewitter, um Gespräche statt Smalltalk.

Im Südwesten Deutschlands hat das Orchester in der Vergangenheit selten gespielt. Darum ergreifen Basler, Freiburger, Straßburger, Karlsruher und Stuttgarter nun die Gelegenheit, die Berliner zu erleben, wie man an den Autokennzeichen in der etwas überlasteten Tiefgarage sieht. Aber es gibt auch den Musikliebhaber aus London, der in Mahlers „Auferstehungssymphonie“ sitzt und jedes Crescendo mitempfindet. Nach dem Konzert steht er wie viele andere an der Bar im unteren Foyer und kommt mit den Musikerinnen und Musiker ins Gespräch. Ein Orchester zum Anfassen.

Aber auch inhaltlich ist vieles anders als bei dem elitären Vorgängermodell. Die Idee, die Stadt mit Musik zu füllen, geht voll auf. 15 Euro kosten die Karten für die Kammerkonzerte an acht verschiedenen Orten in Baden-Baden, nahezu alle Auftritte sind ausverkauft. Im opulenten Florentinersaal des Casinos interpretieren Bettina Sartorius und Hendrik Heilmann zwischen vergoldeten Säulen Violinsonaten von Mozart und Brahms. In der über der Stadt thronenden Stiftskirche entfaltet die Musik des Posaunenquartetts erst durch den großen Nachhall die richtige Atmosphäre. Die transparente Akustik des lichtdurchfluteten Spiegelsaals im Kulturhaus LA8 verleiht den Flötenquartetten von Mozart die ideale Aura.

Besonders in dem ambitionierten Educationprogramm steckt viel Baden-Baden. Die Salonoper „Cendrillon“ von Pauline Viardot, die im 19. Jahrhundert hier gelebt hat, ist eine Koproduktion mit dem Stadttheater, die Solisten wurden an Musikhochschulen Baden-Württembergs gecastet. Das künstlerische Team kommt – wie auch bei der interaktiven „Zauberflöte für Kinder“ – von der Deutsche- Bank-Stiftung „Akademie Musiktheater heute“, am Dirigentenpult stehen mit Stanley Dodds und Michael Hasel Orchestermitglieder. Nach den Vorstellungen wird gepfiffen und geschrien vor Begeisterung. Der Enthusiasmus der Kinder, der auch beim erstmalig veranstalteten Musikfest der Berliner Philharmoniker zu spüren ist, tut dem Festival gut.

Ab 2014 will man auch Schritt für Schritt Neuere Musik ins Programm integrieren – die bekannte Salzburger „Kontrapunkt“-Reihe wurde in Baden-Baden nicht fortgeführt. Das Motto fürs kommende Jahr heißt „Italien“. Da die Festspiele vom 12.-21. April stattfinden, sollte es dann auch klappen mit den blühenden Landschaften. Georg Rudiger

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