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Kultur: Berliner Philharmoniker: Liebe Grüße

Mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern ist es derzeit wie mit frisch Verlobten. Sie sind einander fest versprochen, doch bis die Liaison ab Herbst offiziell wird, beäugt der Bekanntenkreis das Paar ganz genau, fragt sich, ob die beiden wirklich füreinander geschaffen sind, ob die Zuneigung alle Stürme des Alltags überstehen kann.

Mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern ist es derzeit wie mit frisch Verlobten. Sie sind einander fest versprochen, doch bis die Liaison ab Herbst offiziell wird, beäugt der Bekanntenkreis das Paar ganz genau, fragt sich, ob die beiden wirklich füreinander geschaffen sind, ob die Zuneigung alle Stürme des Alltags überstehen kann. Nach dem zweiten "vorehelichen" Programm im April luden Orchester, Chefdirigent und Intendant gestern zum Ausblick auf das erste Jahr in Zweisamkeit: Und siehe da, mehr Freude war in vier Gesichtern nicht unterzubringen. Franz-Xaver Ohnesorg schwärmte von der Öffnung der Philharmonie nach allen Seiten, Vorstand Andreas Wittmann war schier überwältigt vom "unglaublich großen Glücksgefühl" - und Sir Simon erklärte strahlend, er werde Vladimir Putin imitieren. Damit war allerdings nur gemeint, dass er zunächst Deutsch sprechen wollte.

Mag der Vergleich nicht gerade für Rattles politisches Bewusstsein sprechen, das schiefe Bild wurde schnell hinweggespült von tausend weiteren Metaphern - und von Rattles unwiderstehlichem Charme. Der Maestro mit dem weißen Wuschelkopf liebt nicht nur die blumigen Worte, er serviert jeden Satz auch mit entwaffnendem Lächeln. Und er kann sich begeistern: Für das Orchester, das er pflegen will wie einen englischen Garten, für die Entdeckungsreisen, die man sich vorgenommen hat, für die Vitamine, die er dem Ensemble einflößen will. Die alten Lieblingsstücke der Musiker werden weiter präsent sein, aber er will dieses very young, dangerously virtuous orchestra auch zu Neuem herausfordern: "Egal, welchen Tennis-Ball ich ihnen auch zuspiele, sie werden ihn in ein As verwandeln!"

Die Ära Abbado geht zuende, das age of Rattle bricht an. Es ist eine freundliche Übernahme. "Our beloved Claudio" hat zugesagt, im Januar 2004 wieder in Berlin zu dirigieren. Sanft wird der Wechsel vollzogen, auch farblich. Satt des gewohnten Dunkelblau à la Zweireiher-mit-Goldknöpfen strahlen die Programme künftig in sonnigem Senfgelb. Und selbst das Motto von Abbados letztem literarisch fundiertem Saison-Zyklus - "Musik ist Spaß auf Erden" - hat Rattle zum neuen Wahlspruch der philharmonic family weitergedacht: "Wenn Musik nicht mit Freude zu tun hat, womit dann?"

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