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Kultur: Berliner Schaubude: Ein Spiel zuviel

Krasser hätte der Gegensatz nicht sein können: auf der Straße ein Treffen von zehn Skinheads. Begrüßung mit gestrecktem Arm.

Krasser hätte der Gegensatz nicht sein können: auf der Straße ein Treffen von zehn Skinheads. Begrüßung mit gestrecktem Arm. Schnell die Flucht ins Gebäude angetreten. Eine friedliche Welt der Puppen und farbigen Schatten umfängt die Zuschauer, zumeist weiblich, nur vereinzelt in männlicher Begleitung. Hinein in die kleine Bühne der Schaubude zu einem tief femininen Abend. Puppentheater, so heißt es gern, sind Inseln, in denen der Mensch nur eine Nebenrolle spielt, und wo die Geschichten so schön symbolisch verschachtelt sind.

"Frau Welt" ist ein lyrisches Schattenspiel. Also baumelt eine kleine Taschenlampe von der Decke und schafft einen Lichtkegel für Miríam Goldschmidt, die als Erzählerin ganz in weiß gehüllt am Bühnenrand sitzt. Die Schauspielerin, ehemals engagiert bei Peter Brook und Peter Stein, tummelt sich derzeit auf den Off-Bühnen Deutschlands und der Schweiz - in Berlin zuletzt in den Sophiensälen. In der Schaubude nun gibt sie die Vorleserin, wie unkörperlich, und will der weiblichen Weltengestalt keinen Platz enziehen: Diese ist eine fragile Form, zuckend aus einem orangefarbenen Feuergeflecht geboren und dennoch alt und kraftlos. Sie wird am Ende sterben, zerbrochen an dem Geist, mit dem sie im Anfang vereint war.

Ihr Trennungsschmerz lässt ihn in wechselnden Gestalten zurückkehren - als Rachegeist, als dunkler Vogel und roter Phallus. Die Gestalten dringen in ihre Seele und ihren Körper ein. Ein metaphorischer Kampf zwischen männlicher und weiblicher Macht. Am Ende ist die Welt allein und vergeht. Und mit ihr das stille, intensive Bilderspiel der gleitenden Schatten. Silke Kruse, die Autorin, bewegt am Overhead-Projektor winzige Figuren aus Pergamentpapier von dünnen Drähten gehalten, eine Feder oder auch nur farbige Folienteile. Vielfach vergrößert erscheinen die Gestalten zuckend auf dem weißen Tuch der Leinwand, bewegen sich langsam aufeinander zu und verschmelzen zu jeweils neuen Formen. Eine Stunde lang.

Hinzu kommt ein hoch metaphorischer Text, ahnlich abstrakt wie das Schattenspiel in acht Bildern - wobei den Zuschauern nicht gerade geholfen wird, die symbolische Geschichte von Welt und Geist zu verstehen. Bei der anschließenden Premierenfeier mit vegetarischen Salaten gewinnt frau wieder Boden unter den Füßen. Die braunen Gesellen am S-Bahnhof haben sich zum Glück auch verzogen. Der Weg nach Hause ist frei, schattenlos.

Jutta Behnen

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