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Tolles Team. Löwe, Blechmann, Vogelscheuche und Dorothy. Foto: Braun/drama-berlin.de

© Braun/drama-berlin.de

Berliner Staatsballett: Das Zauberquartett

Giorgio Madia inszeniert in der Komischen Oper „Oz – The Wonderful Wizard“ mit dem Berliner Staatsballett. Der Abend besticht durch Liebe zum Detail und herausragende zeitgenössische Elemente.

Vor gut zehn Tagen passierte Seltsames am Berliner Hauptbahnhof. Eine Frau begann zu tanzen, immer mehr Menschen machten mit, bis 200 Leute Pirouetten drehten. Es war eine konzertierte Aktion, ein Flashmob des Berliner Staatsballetts als Werbung der anderen Art für die Premiere des neuen Tanzstücks „Oz – The Wonderful Wizard“. Inzwischen ist das Video dazu im Internet mehr als 430 000 Mal aufgerufen worden. Am Ende ertönt die Lautsprecheransage, jetzt doch bitte in den Zug nach Oz einzusteigen.

Und der fuhr mit Volldampf am Sonnabend in der Komischen Oper los. Die Inszenierung des italienischen Choreografen Giorgio Madia ist hinreißend. Anderthalb Stunden Theaterzauber, ästhetisch, witzig, nie kitschig. Das Handlungsballett ist tot? Es lebe das Handlungsballett.

Die Geschichte beruht auf dem amerikanischen Kinderbuch „Der Zauberer von Oz“ von Lyman Frank Baum aus dem Jahr 1900, in den Dreißigern wurde die Geschichte mit Judy Garland in der Hauptrolle verfilmt. Dorothy wird von einem Wirbelsturm in eine Zauberwelt geschleudert und trifft auf die Vogelscheuche ohne Hirn, den Blechmann ohne Herz und den Löwen ohne Mut. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zum Zauberer von Oz, damit er ihnen zurückgibt, was ihnen fehlt. Doch der Zauberer, in der Komischen Oper dargestellt von Ballettintendant Vladimir Malakhov, erklärt ihnen, dass sie längst alles hätten, es nur nicht wüssten.

In der ersten Szene, als Dorothy am Esstisch sitzt und sich den Bauch reibt, da wirken die großen Gesten, das Pantomimische noch übertrieben. Aber dann findet Madia neue Tricks und Kniffe, um die Entwicklungsgeschichte der vier ungleichen Figuren zu erzählen. Deren Kommunikation funktioniert nicht über schmachtende Blicke und der Unendlichkeit entgegengestreckte Arme, sondern über Piktogramme und Scherenschnitt-Videos von Momme Hinrichs und Torge Møller, die an die weißen Wände (Bühne: Cordelia Matthes) geworfen werden. Kostümbildner Bruno Schwengl steckt die Katze in knatschgelbes Latex. Die Affen funkeln mit bösen Äuglein, sie tragen blendende Lampen. Tolles Team!

Das Einzige, was man Madia ankreiden könnte, ist die Musik vom Band. Der 45-Jährige Italiener hat mit viel Gespür Filmmusiken, Suiten und Ouvertüren von Dmitri Schostakowitsch zusammengesucht. Und er verliert bei allem illusionistischen Bühnenzauber mit Zwerglein, Halbschattenwesen und einer im Boden versinkenden bösen Hexe ein wenig den Tanz selbst aus den Augen. Das Corps de Ballet reiht sich artig auf, es fehlt das Großzügige, das Bühnenerobernde.

Großartig dagegen ist es, wie Madia im Detail arbeitet. Auf den Leib schreiben, diese Redewendung passt. Artur Lill als Blechmann misst seinen Bewegungsradius in geometrischen Achsen aus. Vladislav Marinov schreitet als Löwe die Bühne mit dem Hüftschwung eines Musicalstars ab. Und Federico Spallitta, als Vogelscheuche, taumelt knochenlos durch die Szenen. Das sind zeitgenössische Elemente. Herausragend. Der Star des Abends ist jedoch nicht die Primaballerina Polina Semionova als Dorothy, sondern es sind die sie umringenden Männer, alle drei Demi-Solisten. Am Ende rollt eine Luftballonwelle über die Zuschauer. Man muss sich entscheiden: Ballons wegstoßen oder klatschen. Klatschen.

Nächste Aufführungen: 18., 23., 27. März und 1., 18., 20. und 21. April

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