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Berliner Staatsoper: Das Phantom der Nachhallgalerie

Ton und Tönung: HG Merz erläutert seine Pläne für die Sanierung des Berliner Staatsopern-Saals.

Auf ihren Wink senkt sich der riesige Kronleuchter langsam in den Zuschauerraum hinab, wirft sein Licht auf vergilbte Wandfarbe, über leere Ränge hinweg und schwebt schließlich direkt über dem Parkett ohne Sitzreihen. Ein symbolischer Akt, mit dem Senatsbaudirektorin Regula Lüscher deutlich machen will: Die Sanierung der Staatsoper ist nicht aufzuhalten, und sie folgt einem detaillierten Plan. Den hatte der Architekt HG Merz noch gar nicht ausgeführt, als er im März 2009 den Zuschlag für das 239-MillionenEuro-Projekt erhielt. Die Jury überzeugte er durch seine Erfahrung im Umgang mit historischer Bausubstanz, wie bei der Alten Nationalgalerie oder der Staatsbibliothek Unter den Linden. Zuvor war nach Protesten eine moderne Saalneugestaltung vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit gestoppt worden.

Richard Paulicks Saal von 1954 weiterbauen, so lautet das vom Denkmalschutz ausgegebene Motto für die Sanierung, von der Staatsoper um die Bitte nach einer besseren Akustik erweitert. Wie das genau aussehen soll, versuchen Lüscher und ihr Architekt nun anhand von Computerbildern und Modellen zu erhellen. Da die Außenmaße der Staatsoper wegen des Denkmalschutzes nicht vergrößert werden dürfen, muss das für die bessere Akustik nötige zusätzliche Volumen im Saal selbst erzeugt werden. Dafür wird Paulicks Decke um 4 Meter angehoben. Zwischen dem dritten Rang und der Decke entsteht eine Nachhallgalerie, damit die Staatsoper akustisch endlich mit der Dresdner Semperoper konkurrieren kann. Von 1,1 Sekunden auf 1,6 Sekunden soll sich die Nachhallzeit verlängern, ohne elektronische Manipulationen. So kann die Musik transparenter klingen, und Sänger sind besser zu hören. Der neue Nachhall-Richtwert für Opernhäuser von idealen 2 Sekunden (wie in Oslo) bleibt allerdings unerreichbar.

Um den Saal optisch mit seiner angehobenen Decke zu verbinden, spannt sich eine schalldurchlässige Gitterkonstruktion aus Keramik und Glasfaser über den Abgrund des Hallraums. Ihre Rautenform ist Paulicks Deckenschmuck entnommen und der reicht seinerseits zurück bis auf die Entwürfe von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Für den Denkmalschutz ist diese Raumverwebung unter Beibehaltung der ursprünglichen Geometrie die bestmögliche Lösung. Für die Zuschauer hingegen wird sie keine Sichtverbesserung bringen. Dafür hätten die Rangbrüstungen neu geschnitten werden müssen, was viele Sitzplätze gekostet hätte. 1335 statt bisher 1396 soll es künftig geben, 14 davon sind erstmals behindertengerecht. Die Sitze sollen breiter werden, und in den neuen Treppenhäusern, die alle auch in die Konditorei führen, gibt es WCs.

HG Merz will der sanierten Staatsoper den Charme des Bewohnten bewahren. Eine Herausforderung, bei der das Budget wohl das letzte Wort hat. Das allgegenwärtige müde Beige soll jedenfalls weichen, der Gelbstich verschwinden. Bei Paulick hatte die Wandfarbe mehr Grauanteile, hat der Architekt herausgefunden, das lässt auch das Gold kräftiger strahlen. Doch zuvor muss alles ausgebaut, jede Verkleidung entfernt werden, damit der Nachkriegswiederaufbau endlich den heutigen Brandschutzmaßnahmen entspricht.

Der Kronleuchter kommt natürlich wieder an seinen Platz, wenn am 3. Oktober 2013 der Spielbetrieb wieder losgeht. Regula Lüscher ist optimistisch: „Dieser Saal wird schön, dieser Saal wird klingen.“

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