zum Hauptinhalt
Hier hat er sich immer wohl gefühlt. Staatsminister Neumann bei der Eröffnung der Berlinale. Film ist sein Metier.

© picture alliance / dpa

Bernd Neumann: Acht nette Jahre

Geld ist nicht alles: Kulturstaatsminister Bernd Neumann hört auf. Die Baustellen, die er hinterlässt, sind zahlreich. Was erwartet seinen Nachfolger?

Er war ein Glücksfall für die Kulturpolitik, sagt der Deutsche Kulturrat. Und dass sein Nachfolger sich an ihm messen lassen muss. Bernd Neumann, acht Jahre lang Angela Merkels Mann für die Kultur, hört auf. Vor der Wahl hatte er es sich offengehalten, aber nun teilt er mit, dass er für eine dritte Amtszeit als Kulturstaatsminister nicht zur Verfügung steht.

Der robuste, umtriebige 71-Jährige ist außerdem seit Anfang Oktober erkrankt. Er kam während der Vorbereitungen zu den Stuttgarter Feierlichkeiten zur Einheit in die Klinik, seitdem nimmt Neumann keine Termine mehr wahr. Allerdings steht sein Rückzug vom Amt nicht in Zusammenhang mit seiner Gesundheit: Der Kanzlerin hatte er seinen Entschluss bereits unmittelbar nach der Wahl mitgeteilt. Neumann hielt es lediglich für angebracht, die Öffentlichkeit erst nach der Verabschiedung der alten Regierung zu informieren, pünktlich zur Konstituierung des neuen Bundestags.

Ein Glücksfall, ein Maßstab für künftige Amtsinhaber? Vielfach wurde gewürdigt, wie sehr Neumann dem Amt „Gewicht und Stimme“ verlieh (O-Ton Neumann), mit einem auf 1,28 Milliarden Euro kontinuierlich gestiegenen Etat. Dass die Kulturnation Deutschland sich keinen regelrechten Kulturminister leistet, dass die Debatte um das Staatsziel Kultur weitgehend verstummt ist, gilt mittlerweile als Zeichen der Stärke. In einem Ministerium wäre die Kultur zum Anhängsel geschrumpft, an die Bildung oder ans Innenministerium, dem die Kultur vor Erfindung des Amts durch die Schröder-Regierung 1998 zugeordnet war. Als Appendix hätte die Kultur es schwerer, sich Aufmerksamkeit und Geld zu verschaffen, sie müsste unmittelbar mit ihren natürlichen Verbündeten konkurrieren, der Bildung, Wissenschaft, Forschung. Die Wege zur Macht waren kurz vom Büro im Kanzleramt; nicht zuletzt deshalb ist die Kultur jetzt fest in den Regierungsgeschäften verankert. Eine schwarz-rote Koalition wird daran kaum etwas ändern.

Dennoch hinterlässt Neumann gewaltige Baustellen. Dass er als Pragmatiker lieber hinter den Kulissen argumentierte als sich öffentlich einzumischen, wird sich noch als Nachteil erweisen. Die größte Baustelle ist unübersehbar: ein riesiges Loch in der Mitte der Hauptstadt. Im Juni war endlich der Grundstein für das Berliner Schloss samt Humboldtforum gelegt worden, noch gibt es keine bösen Überraschungen bei der Arbeit am Baugrund, wie gleich nebenan bei der Staatsoper. Es gab bislang auch nur eine Terminverschiebung, nur eine Kostensteigerung – für die Eröffnung ist jetzt 2019 avisiert. Aber wer glaubt noch ernsthaft an die Summe der bislang nur auf 590 Millionen Euro angestiegenen Gesamtkosten?

Das Schloss wird dem Neuen (oder der Neuen) auf jeden Fall Bauschschmerzen bescheren

Nicht einmal die inflationsbedingten Preissteigerungen werden bislang beziffert und unverzichtbare Schloss-Bausteine wie die Kuppel sind erst zum Teil finanziert. Mit Spenden in Höhe von 80 Millionen Euro sollen Rekonstruktionen des Fassadenschmucks finanziert werden; auch diese Summe ist wie durch ein Wunder seit Jahr und Tag preissteigerungsresistent.

Egal, ob der künftige Kulturstaatsminister wie Neumann auf Diskussionsteilnahme verzichtet oder nicht, das Schloss wird ihm Bauchschmerzen bescheren. Am heutigen Donnerstag will der Architekt Stephan Braunfels in Berlin vorstellen, wie er Deutschlands bedeutendstes Kulturprojekt „schöner und 100 Millionen Euro billiger machen“ kann (vorausgesetzt, er bekommt sein iPad mit Dokumenten und Entwürfen wieder, das er letzte Woche im Taxi vergaß). Das dürfte der Startschuss für eine neue Streitrunde sein, zumal das vom Bundestag beschlossene Humboldtforum kaum wortgewaltige Fürsprecher findet, nicht mal in den Reihen der Politik.

So schlüssig die Idee ist, die außereuropäischen Sammlungen einen Steinwurf weit von den vorderasiatischen Schätzen der Museumsinsel unterzubringen, so fragwürdig bleibt der Plan, dies hinter den Fassaden einer Barockschloss-Replik zu tun. Der Kulturstaatsminister wird verteidigen müssen, dass Innen und Außen trotzdem zusammenpassen. Auch die Versuche, im Humboldt-Lab die Kunst der Präsentation von Exponaten neu zu erfinden, können nicht überzeugen. Da wird das Rad neu erfunden, das in vielen Museen der Welt längst munter rollt (siehe Artikel rechts)

Es ist nicht allein das Schloss. Sämtliche Staatliche Museen Berlins gehören über die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in die Verantwortung des Bundes. Allein die Kosten für die Generalsanierung aller Häuser der Museumsinsel werden derzeit mit 1,5 Milliarden Mark beziffert, auf nach oben offener Skala. Die bisherigen Projekte (Neues Museum, Alte Nationalgalerie) konnten im Rahmen bleiben, die aktuellen Baustellen nicht: Die genaue Kostensteigerung bei der James-Simon-Galerie um mehr als ein Viertel wurde letzte Woche bei der Grundsteinlegung für die neue Eingangshalle bekannt. Beim Pergamon-Museum, derzeit mit 385 Millionen Euro veranschlagt, wartet die Öffentlichkeit noch auf die bereits avisierten höheren Zahlen. Das soeben erweiterte Berggruen-Museum muss wegen Schimmelbefalls unter dem Dach schon wieder geschlossen werden, und bei der Staatsoper Unter den Linden weiß vor lauter Komplikationen ohnehin keiner mehr, wann sie zu welchem Preis fertig sein wird.

Auch die Reform der Künstlersozialkasse und die Stärkung des Urheberrechts sind nicht zu unterschätzen

Alles Bundessache: Wie will der künftige oberste Kulturpolitiker der Nation die Parlamentarier davon überzeugen, dass es damit noch nicht genug ist und zusätzlich Geld für den von Neumann versprochenen Neubau für eine Galerie der Moderne hinter der Neuen Nationalgalerie bereitgestellt werden muss? Gelingt es ihm nicht, ist das Debakel um eine Heimstatt für die Sammlung Pietzsch perfekt, die Platznot für die Kunst der Moderne in der Kunsthauptstadt der Moderne größer denn je. Der gerade erst befriedete Berliner Museumsstreit geht dann in die nächste Runde.

Auch die virtuellen Baustellen sind nicht zu unterschätzen. Zwar sind sich die Parteien bei der Reformbedürftigkeit der Künstlersozialkasse, der Stärkung des Urheberrechts im Internetzeitalter, der Notwendigkeit einer großen Filmfördernovelle und der Herausnahme der Kultur aus dem Freihandelsabkommen (etwa zur Rettung der Buchpreisbindung) weitgehend einig. Die Existenz von Künstlern wird prekärer denn je, hier wollen alle gegensteuern. Lauter Sonntagsreden: Selbst der zähe Neumann musste in Sachen Künstlersozialkasse oder Urheberrecht zurückstecken, er scheiterte nicht zuletzt an der eigenen Partei. Ob nun die CDU den Neuen oder die Neue stellt – was bei einer CDU-Kanzlerin am wahrscheinlichsten ist – oder die SPD, es wird eine Kämpfernatur sein müssen.

Bei den Koalitionsverhandlungen wird die Arbeitsgruppe Kultur von Michael Kretschmer (CDU) und Klaus Wowereit (SPD) geleitet, dem regierenden Berliner Kulturmeister. Bisher kursieren die Namen von Monika Grütters (CDU), der Vorsitzenden des Bundestags-Kulturausschusses, von Oliver Scheytt, dem Kulturmann im SPD-Kompetenzteam, von Bundeskulturstiftungs-Chefin Hortensia Völckers und Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Vom Museumschef zum Museumsfinanzierer. Aber das ist im Moment alles nur Spekulation.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false