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Kultur: Bernhard Heisig: Das Feldgrau des Krieges

Als großer Erzähler des Krieges erweist sich Bernhard Heisig in der Ausstellung "Der Maler und sein Thema" in der Galerie Brusberg. In vier lithographischen Serien schlägt er den Bogen vom Dreißigjährigen Krieg mit der "Mutter Courage" bis zum "Faschistischen Alptraum" (Preise auf Anfrage).

Als großer Erzähler des Krieges erweist sich Bernhard Heisig in der Ausstellung "Der Maler und sein Thema" in der Galerie Brusberg. In vier lithographischen Serien schlägt er den Bogen vom Dreißigjährigen Krieg mit der "Mutter Courage" bis zum "Faschistischen Alptraum" (Preise auf Anfrage). Die Blätter, in einem Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten entstanden, dokumentieren dabei zugleich die Entwicklung einer Ästhetik des Zerstörten. Sie erzählen vom Unerträglichen in einer grauen und schwarzen Bildsprache, in deren Schatten oft mehr Schrecken nisten als der Zeichner für zumutbar hält. Dieses Moment der Spannung und Zurückhaltung unterscheidet Heisigs grafische Zyklen von der berstenden Überfüllung seiner Gemälde.

Auf dem ersten Blatt zum "Krieg" von Ludwig Renn sieht man den Autor, der sich entsetzt die Hände vor das Gesicht geschlagen hat, während auf dem Tisch vor ihm schon Papier und Tinte bereitstehen, um die Anstrengung der Erinnerung an den ersten Weltkrieg zu bewältigen. Die Bilder treiben auf uns zu wie kleine Stücke Schmerz, losgerissen aus einem gigantischen Block, der im Ganzen nicht auszuhalten wäre. Das wogende Schwarz einer der Anfangsszenen gleicht einem Abdruck im Dreck, ein physischer Stempel des Nach-Unten-Tretens. Erst dann erkennt man in der Bewegung die Reihen von Pickelhauben und Gewehrspitzen derer, die in den Krieg ziehen. Später ist das dichte Meer der Figuren ausgedünnt zu einer grätigen Linie, die sich zwischen den Baumstümpfen eines zerschossenen Waldes aus dem Morast hochquält. Selbst noch als Leichen bilden sie, Stiefelspitze an Stiefelspitze, geordnete Ketten.

Feste Umrisslinien oder eindeutige Konturen gibt es bei den Lithografien kaum. Die Oberfläche gleicht vielmehr einer in Mitleidenschaft gezogenen Materie, zerschossen, zerfurcht, verätzt, verschimmelt, vergessen - erst allmählich schält der Blick Spuren eines Geschehens aus dieser Verwitterung. Einen eigenen Rhythmus nimmt die BildErzählung zudem durch die Verkettung der Motive an, die von Blatt zu Blatt sich fortsetzenden und umformenden Reihen der Soldatenkörper, die nur ganz selten von Großaufnahmen unterbrochen werden. Den "Krieg" gab Heisig ebenso wie die Blattfolge "Der Faschistische Alptraum" in den siebziger Jahren in Auflagen von 80 und 30 Kassetten heraus. Damals erfuhr die Grafik in der DDR einen ersten Boom. Der staatliche Kunsthandel wurde neu aufgebaut und die Gespräche über Abrüstung zwischen den Großmächten erzeugten über die DDR hinaus ein Interesse an antifaschistischen und friedensbewegten Themen.

In Heisigs Bildsprache zeigt sich eine über den Realismus hinausgehende Vielseitigkeit, die surreale Übersteigerung und Symbolismus ebenso einschließt wie die Negation des Abbildbaren. Am Anfang zeigt der "Faschistische Alptraum" einen von Linien zerfurchten Block, der die Bildfolge selbst wie ein Sargdeckel verschließt. Ein anderes Blatt zwängt ein unendliches Heer von Gestalten, die so auf die knochigen Umrisse ihrer Schädel reduziert sind, dass man nicht sagen kann, ob es noch Lebende oder schon Tote sind, zwischen engen Mauern ein. Im suggestiven Aufbau einiger Szenen ahnt man das Vorbild von Max Klingers grafischen Folgen, andere, die Panzerwracks und Bombenkrater zeigen, erinnern an den Blick von Otto Dix auf den Krieg.

1999 illustrierte Heisig die Erzählung "Schach von Wuthenow" von Theodor Fontane. Da hat der Maler sich einmal selbst portraitiert, über den Stein des Lithographen gebeugt. Hinter ihm drängt sich schon das Personal der Geschichte, aber noch ist ihm die Form nicht klar. Sein Blick aus dem Blatt heraus geht merkwürdig am Betrachter vorbei und trifft auf ein Porträt Fontanes an der anstoßenden Wand der Galerie. Zerknittert und aus Strichen zusammengesetzt, die mal nur so gerade eben noch zusammenhalten, blicken die beiden sich an. In Fontane fand Heisig wohl einen besseren Bündnispartner, dem Sturm der eigenen Gedanken Form zu geben, als in seinen Zeitgenossen, die sich um seine Rolle stritten.

Vor den tintigen Hintergründen der Folge wirken die Gesichter oft wie weggeschabt, ausgekratzt aus der Erinnerung. Präsenter als die individuellen Züge ist dagegen die Haltung der Figuren, ihr Bemühen um das Erfüllen einer Rolle - Vergangenheit und Tradition haben sie im Griff. Heisig illustriert so nicht nur die Erzählung, sondern auch die zeitliche Entfernung und das Befremden, die uns von ihr trennen.

Der letzte Zyklus von Lithografien und Zeichnungen gilt Brechts "Mutter Courage" und ist im letzten Jahr entstanden. Die Bilderfolge lebt von einer expressiven Dramatisierung, flackernden Beleuchtungseffekten einer nur von Feuern erhellten Nacht und Gespenstertänzen. Sie kostet die theatralische Zuspitzung und das Unheimliche aus. Denn im Krieg ist der Zeichner Heisig nicht weniger in seinem Element als die Mutter Courage.

Katrin Bettina Müller

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