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Kultur: Besuch bei den lebenden Toten

Elegie im Walzertakt: Tim Burtons viktorianisches Gruselmärchen „Corpse Bride“

Tim Burton ist wieder ganz in seinem Element, und da sollte man wachen Auges auch die kleinsten Einzelheiten noch würdigen. Das Klavierspiel etwa von Victoria Everglot und Victor Van Dort am Vorabend ihrer Hochzeit: Wie genau das grazile Fingerspiel übereinstimmt mit dieser traurigen, Schubert abgelauschten Musik! Man beachte aber vor allem das Fabrikat des wuchtigen Instruments. Die Aufschrift lässt keinen Zweifel: ein echter Harryhausen.

Ray Harryhausen war der Meister der Stop-Motion-Technik: Unzählige Monster hat er ins Filmgedächtnis eingeprägt mit den Mitteln dieser aufwändigen Bild-für-Bild-Montage, die eine so ganz eigene, fremdartige Bewegungsanmut entstehen lässt. Heute nehmen nur echte Narren wie Nick Park („Wallace und Gromit“) oder Tim Burton die Mühsal dieser antiken Animationstechnik noch auf sich – dann aber entstehen zauberhaft bewegte Kunstwerke, die wenig gemein haben mit jener schematisierten Serienware, wie sie von den Rechenstuben der großen Studios ausgeworfen wird.

„Corpse Bride“ ist ein wunderbarer Märchenfilm voller Sprach- und Bildwitz, und er strahlt eine eigentümlich jenseitige Poesie aus, wie sie mit anderen Tricktechniken niemals erreicht werden kann. Schon einmal hat Burton das Zwischenreich ausgeleuchtet in einem Puppenmusical post mortem. Damals brachte „Nightmare before Christmas“ die Puppen mit frechem Jazz zum Tanzen. „Corpse Bride“ aber beseelt sie mit einer schwarzromantischen Elegie im Walzertakt.

Als Victor (gesprochen von Johnny Depp) und Victoria (Emily Watson) für die Vermählungszeremonie proben, stellt er sich so ungeschickt an, dass man ihn zum Üben wegschickt. Das tut er auch, mitten im Wald – und steckt den Ring dabei versehentlich an den mageren Finger einer unterm Schnee liegenden Leiche (Helena Bonham Carter). Die nimmt den Schwur ernst und entführt Victor überglücklich in ihre Welt. Victor aber ist hin und her gerissen – zwischen seiner zurückgelassenen Verlobten und der Liebe einer Braut, deren Herz nicht mehr schlägt.

Eine makaber-romantische Dreiecksgeschichte, in der die Liebe nun wirklich mal über den Tod hinausgeht, an deren Ende aber einer der unglücklich Beteiligten ein Opfer wird bringen müssen. Die besten Märchen sind eben jene, die sich ein gewisses Maß an Nachtschwärze bewahren. In „Corpse Bride“ aber ist die graue, viktorianische Welt der Lebenden das eigentliche Totenreich. Die Unterwelt dagegen sprüht vor Witz, Farbe und, ja, Lebensfreude. Elder Gutknecht, der klapprige Knochenopa mit dem lang gezogenen Bart, wundert sich daher sehr, als Victor wieder nach oben möchte. „Zu den Lebenden? Seltsam! Die geben ihr Leben, um hierher zu gelangen, und Du willst wieder zurück.“

In den Kinos Babylon (OV), Cinemaxx Potsdamer Platz, Cinestar Sony-Center (OV), Friedrichshain, Kulturbrauerei, Zoo-Palast, Yorck und New Yorck

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