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Kultur: Besuch der Damen

Reinhild Hoffmann und Susanne Linke beweisen beim Berliner Tanzwinter, welche Größe sich aus Beschränkung ergeben kann

Vom Berlinalepalast am Marlene-Dietrich-Platz zum Hebbel-Theater am Halleschen Tor gelangt man bequem zu Fuß. An diesem Sonnabend aber lagen Galaxien zwischen beiden Orten: Dort Glamour und visueller Overkill („sechs Spielfilme, fünf Kurzfilme, und abends noch Party!“), hier extreme Reduktion. Reinhild Hoffmann und Susanne Linke, zwei Schlüsselfiguren der deutschen Tanzentwicklung, zeigten beim Berliner Tanzwinter vor gutbürgerlichem Publikum und voll besetztem Haus („Das muss man nochmal gesehen haben!“) vier frühe Solostücke, teils getanzt von den Choreografinnen selbst – eine wichtige, ja begeisternde Wiederbegegnung.

Redinhild Hoffmanns „Solo mit Sofa“ aus dem Jahr 1976 berührt durch formale Konzentration, verhalten somnambules Pathos und absolute Knappheit der Mittel. Schläfriges Rollen und Winden auf dem Sofa, keinerlei Eitelkeiten oder Schnörkel – und doch gibt sich Hoffmann in Ton und Duktus enorm persönlich, fast befindlich.

Dagegen spart Susanne Linkes „Flut“ (1981), getanzt von Urs Dietrich, nicht an Verausgabung. Zur Einspielung von Pablo Casals bei einer Dirigierprobe ringt auch Dietrich mit der Gestalt. Wenige Bewegungen werden arrangiert, befragt, verworfen, neu gedacht. Der Gestus schwillt an zu raumgreifender Verausgabung, „flutet“ die Bühne, ehe alles wieder verebbt.

Nach Hoffmans „Vier“ (1992) – Michaela Isabel Fünfhausen hat nur vier Steinfliesen als Tanzboden zur Verfügung –, folgt „Im Bade Wannen“, Linkes 1980 entstandener schnippischer Kommentar auf Hausfrauenwelten und den Hang des Ausdruckstanzes zu Menschheitsthemen. Damit klang ein Programm aus, dessen glitzerfreie Größe sich allem cineastischen Bombardement entgegenstemmt – Gegenglamour gleichsam.

Der Berliner Tanzwinter im Hebbel-Theater geht zu Ende am 18./19. Februar mit „Les Carnets Bagouet“ aus Frankreich .

Franz Anton Cramer

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