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Kultur: Bethlehem in Nizza suchen

Eric Guirados Debütfilm „Vom Himmel hoch“

Vom Himmel hoch kommt der Weihnachtsengel und an manchen Filmanfängen die Kamera. Auge Gottes ist sie dann, wenn sie zuerst alles überblickt, um dann immer tiefer zu gehen und ausgerechnet am Bauernhof von Jeromes Mutter hängen zu bleiben. Der Stall zu Jerusalem zeugte vergleichsweise von gesunder Landwirtschaft. Auf frohe Botschaften wartet Jeromes Familie schon lang nicht mehr, höchstens auf die endgültige vom Gerichtsvollzieher. Da entschließt sich Jungbauer Jerome zu einer Verzweiflungstat: Er geht in die Stadt, Arbeit suchen, Geld verdienen. Er erklärt der Arbeitsbeamtin, was er alles kann, Kühe melken zum Beispiel. Jeromes Aufzählung wird sehr lang, das Gesicht der Arbeitsbeamtin auch, bis sie die erlösende Idee hat: Weihnachtsmann!

Weihnachtsgeschichten, denen man ansieht, dass sie Weihnachtsgeschichten werden wollen, müssen entweder von Charles Dickens sein oder wirklich sehr gut. Darum ist es gut zu wissen, dass „Vom Himmel hoch“ kein vorsätzlicher Weihnachtsfilm ist und nichts dafür kann, dass er im Advent spielt. Denn „Vom Himmel hoch“ ist ein Tatsachenfilm, und Schuld hat Nizza.1996 kamen die Stadtoberen zum ersten Mal auf die Idee, die Clochards aus den vorweihnachtlichen Straßen wegzuräumen. Sie stören das Adventsbild. Sie wurden in Lastwagen verladen und auf freiem Feld ausgesetzt. Damals stand ein junger Dokumentarfilmer fassungslos dabei, wollte die Verantwortlichen zur Rede stellen, begann Nachforschungen und war doch nur sehr naiv. Diese Vorgeschichte des jungen Regisseurs Eric Guirado erklärt den wiederholten Auftritt einer jungen Empörungsjournalistin, in die Jungbauer Jerome sich verliebt. Aber der Rest ist gut. Eric Guirados Debütfilm hat den Blick für die Nebensachen, die oft nur unerkannte Hauptsachen sind. Und Benoît Giros gibt seinem jungen Bauern Jerome den geraden Sinn und die spontane Kraft, die nicht unbedingt zu den Hauptqualifikationen eines Städters gehören. Zuerst montiert Jerome noch Lichterketten an den städtischen Weihnachtsbaum, um dann zum Abtransport der Penner eingesetzt zu werden. Sind Bauern die besseren Menschen? Jerome ist einfach nur unfähig, der Verladung seines Lieblingsclochards La Chignole zuzusehen. La Chignole hat seine Wohn-Pappe direkt vor einem Fernsehgeschäft aufgestellt und schaut den ganzen Tag Stummfilme im Schaufenster. Sind Penner die besseren Menschen? Auch das behauptet Guirado nicht, und sein Jerome wird es sich gut überlegen, ob er La Chignole noch einmal bei sich schlafen lässt.

„Vom Himmel hoch“ hat den Blick fürs Skurrile, der vor Sentimentalität schützt. Und auch das Ende wird kein gutes sein im herkömmlichen Sinne. Es ist nur ein guter Augenblick, ein Moment der Nähe. Aber den Abstand zur Jerusalemer Krippe hat Jeromes Bauernhof noch immer nicht eingeholt.

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