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Hinter die bröckelnde Fassaden schauen. Ansicht aus der Ausstellung von Bettina WitteVeen.

© B. Bönisch

Bettina WitteVeen in Wünsdorf: Tanz den Kosmos

Nach 1945 wurde Wünsdorf zur sowjetischen Garnisonsstadt. Die Künstlerin Bettina WitteVeen erkundet ihre bewegte Geschichte mit einer Installation.

Das preußische Militär war hier, deutsche Athleten bereiteten sich 1936 auf die Olympiade vor und schwammen in jenem Becken, auf dessen Grund nun ein kurzer Film über den Physiker Robert Oppenheimer läuft. Wasser gibt es in dem schönen Schwimmbad in historischer Architektur längst nicht mehr. Läge das Bassin näher an Berlin, wäre es sicher längst ein Club. Doch die Kaserne, „verbotene Stadt“ nach 1945, ist Teil der ehemaligen Garnisonsstadt Wünsdorf – und das Bad befindet sich seit einem Vierteljahrhundert im ewigen Dornröschenschlaf.

Die Farbe blättert von den Wänden, am Eingang wuchert Grün. Ähnlich wie vor dem einst prachtvollen Kino, in dem es inzwischen nach Feuchtigkeit müffelt. Ein Panorama, das die Sowjetunion ihren Soldaten spendierte, um ihnen bis zum Abzug der Armee 1994 die Vision eines globalen Kommunismus medial zu vermitteln, lässt sich nicht einmal mehr betreten: Einsturzgefahr! Und dennoch führt für Bettina WitteVeen eine lebendige Spur durch alle Jahrzehnte der vom Krieg geprägten Historie des Areals.

Übers Feld. Lenins Statue illustriert die bewegte Geschichte des Areals.
Übers Feld. Lenins Statue illustriert die bewegte Geschichte des Areals.

© B. Bönisch

Die Künstlerin zieht diese Linie weiter bis in die Gegenwart. Ihre mehrteilige, temporäre Installation beginnt im Kino mit dem Video „Götterfunken“, integriert die Natur, führt weiter zum Schwimmbad und vorbei an einer monumentalen Statue Lenins zurück in den Vorführsaal, wo man WitteVeens Montage ritueller Tänze noch einmal anschauen soll. So wird aus der unsichtbaren Linie ein symbolhafter Kreis.

Alles kehrt wieder, nur anders. Diese Botschaft manifestiert sich manchmal schon etwas illustrativ in der Ausstellung „Götterfunken feuertrunken der Erlkönig: whiteout“. Dass es sich dennoch lohnt, dem Rundgang zwischen den vor sich hin rottenden Gebäuden zu folgen, liegt an der Eindrücklichkeit des Gesamtbildes. Bettina WitteVeen ist eine – wenn auch sanfte, vom Buddhismus geprägte – Streiterin gegen jede Form von Kriegsherrlichkeit. Im Schwimmbad klären schwarze Tafeln über gängige Massenvernichtungsmittel auf. Ihre chemischen Formeln mögen optisch bestechen, die Symptome der Opfer dagegen sorgen allein schon beim Lesen für Übelkeit. Die Künstlerin ergänzt das Arsenal durch jüngste Kriegswaffen: Ästhetische Tableaus zeigen eine Armada bienengroßer Drohnen, die nach der digitalen Identifizierung ihrer Opfer tödliches Gift durch einen Stachel verabreichen.

Was bringt Wissenschaftler dazu, an Waffen mitzuwirken, die sich gegen Zivilisten richten? Erfindungsreichtum, Neugier, Metaphysik: Für WitteVeen sind das Qualitäten mit changierenden Eigenschaften. Ihre Arbeiten finden eine adäquate Sprache für diesen gap zwischen Absicht und Wirkung. Wie im Fall von Oppenheimer, den der Abwurf der von ihm erfundenen Wasserstoffbombe über Japan 1946 als gebrochenen Mann zurückließ.

Bloß bei Lenins Steinfigur reagiert die Künstlerin mit pädagogischem Impetus. Wohl weil in ihrer Wahlheimat New York, so erzählt sie, gerade überall Sympathien für eine gesellschaftliche Revolution aufkeimen. Welche Opfer das kommunistische Modell gefordert hat, steht hier in Fakten und Zahlen. Dabei hätte das schwarze Meer aus Asphalt um die Figur völlig gereicht.

Ehemalige Militärkaserne, Hauptallee 114, Zossen; bis 1. 7., Mo–Fr 15–20 Uhr, Sa–So 12–20 Uhr

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