zum Hauptinhalt

Beutekunst: Vom Domschatz bis van Gogh

Die Internetdatenbank "Lost Art" dokumentiert Kulturgutverluste von 1933 bis 1945. Rund 40 Rückgaben von Kunstwerken konnten durch die virtuelle Plattform bisher ermöglicht werden.

Magdeburg - "Zurückgeführt". Dieser Vermerk steht nur unter einem Bruchteil der in der Internetdatenbank "Lost Art" registrierten Kunst- und Kulturgüter. So hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erst im Juli das vier mal zwei Meter große Ölbild "Steinigung des Heiligen Stephanus" von Giovanni Domenico Tiepolo (1727-1804) an den rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben. Über die Internetseite der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste kann seit 2001 weltweit nach NS-Raubkunst und Beutekunst recherchiert werden, sagt Leiter Michael Franz. Die 1994 in Bremen gegründete Einrichtung hat seit 1998 mit sieben Mitarbeitern ihren Sitz beim Kultusministerium Sachsen-Anhalt in Magdeburg.

Das Spektrum der in den Kriegswirren verschwundenen Kulturgüter aus Sammlungen, Museen, Bibliotheken oder Privatbesitz reicht von Gemälden berühmter Maler wie Gustav Klimt, historischen Büchern, Münzen bis hin zu Silberbesteck, Teppichen oder etwa 200 Jahre alten Duellpistolen. Über 60 Jahre nach Kriegsende sind insgesamt noch mehr als 86.000 Einzelobjekte in der Datenbank registriert, sagt Franz. Die Zahl der eingestellten Such- und Fundmeldungen sei zudem immer noch steigend.

Das Kulturhistorische Museum Magdeburg sucht seit Jahren nach seiner rund 400 Bilder umfassenden Gemäldegalerie. Darunter ist auch Vincent van Goghs berühmtes Bild "Der Maler auf dem Weg nach Tarascon". Der größte Teil der Gemäldegalerie war in einem Salzbergwerk in Staßfurt ausgelagert. Lediglich ein Umschlag mit verklebten Münzen und ein eingelegter Molch seien von Bürgern zurückgegeben worden, sagt der Historiker des Magdeburger Museums, Tobias von Elsner.

Rückgabe-Tendenz steigend

In den vergangenen Jahren hat es laut Franz mit Hilfe von "Lost Art" etwa 40 Rückführungen gegeben - mit steigender Tendenz. Nicht zuletzt sei mit der Einrichtung der Internetseite eine breite Öffentlichkeit geschaffen worden. Die Seite zähle rund 800.000 Besucher im Monat. Es sei Aufgabe der Koordinierungsstelle "Suchende und Findende zusammenzuführen".

Der "Tiepolo" beispielsweise war zusammen mit drei weiteren Gemälden des deutschen Barock aus dem 18. Jahrhundert 1942 über eine Kunsthandlung den Staatlichen Museen zu Berlin zur Restaurierung übergeben und anschließend als Fremdbesitz aufbewahrt worden. Wer nun der alte und neue Besitzer ist, darüber ist nach Angaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Stillschweigen vereinbart worden.

Auch rund 250 Privatpersonen suchen über "Lost Art" nach ihren verlorenen Schätzen, sagt Andrea Baresel-Brand, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Koordinierungsstelle. Viele Nachfragen kämen aus dem Ausland, aus Südamerika oder Israel. Vor allem jüdischer Besitz sei im Nationalsozialismus enteignet und beispielsweise auf Auktionen wie im Wiener Dorotheum versteigert worden.

"Ein Zeichen der Wichtigkeit"

Insgesamt 27 Personen weltweit hätten aber auch den Fund von Kunst- und Kulturgütern gemeldet. Erst im vergangenen Jahr habe die Stiftskirche in Kleve am Niederrhein ein paar Apostelfiguren "per Post" von einem Kanadier zurückbekommen. Der Mann hatte die Holzskulpturen auf dem elterlichen Dachboden gefunden und selbst Nachforschungen angestellt. Sein Vater hatte die Skulpturen 1945 als Soldat aus Deutschland mitgebracht.

In einem anderen Fall von Beute- und Raubkunst sei dem Jüdischen Museum in Berlin von einer Privatperson das Gemälde "Jerusalem" von Uri Lesser zum Kauf angeboten worden, sagt Franz. Mit Hilfe von "Lost Art" wurde herausgefunden, dass das Gemälde aus dem Görlitzer Kaiser-Friedrich-Museum stammte. Es wurde beschlagnahmt und in diesem Jahr der Einrichtung in Görlitz zurückgegeben.

Spektakuläre Fälle wie der Quedlinburger Domschatz, der in den 90er Jahren in Texas "auftauchte", hätten die Dimension des Problems gezeigt, sagt Franz. Dass die Arbeit der von Bund und Ländern finanzierten Koordinierungsstelle bis 2009 verlängert wurde, wertet er als "ein Zeichen der Wichtigkeit" ihrer Arbeit. (tso/ddp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false