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Kultur: Biennale: Halb Mensch, halb Tier

Man hat fast den Verdacht, der Sizilianer Salvatore Sciarrino wolle Richard Wagner für seine strapaziösen Opern-Ungetüme posthum eins auswischen. Sein jüngstes Bühnenwerk "Lohengrin", 1983 in Mailand uraufgeführt, könnte von seinem großen Vorgänger kaum verschiedener sein: An die Stelle romantischen Orchesterwaberns und heroischer Fanfaren treten subtile Klangstudien einzelner Instrumente, während sich die Protagonisten beinahe gänzlich dem Gesang verweigern und statt dessen in Glucksen, Hauchen oder Zirpen verfallen.

Man hat fast den Verdacht, der Sizilianer Salvatore Sciarrino wolle Richard Wagner für seine strapaziösen Opern-Ungetüme posthum eins auswischen. Sein jüngstes Bühnenwerk "Lohengrin", 1983 in Mailand uraufgeführt, könnte von seinem großen Vorgänger kaum verschiedener sein: An die Stelle romantischen Orchesterwaberns und heroischer Fanfaren treten subtile Klangstudien einzelner Instrumente, während sich die Protagonisten beinahe gänzlich dem Gesang verweigern und statt dessen in Glucksen, Hauchen oder Zirpen verfallen.

Sciarrinos selbst verfasstes Libretto ist eine respektlose Parodie auf das Wagnersche Pathos und basiert auf einem Text des französischen Dichters Jules Laforge (1860-1887), der neben anderen Lieblingsstoffen seiner Zeit auch den hehren Schwanenritter genüsslich ironisierte: Die Vestalin Elsa soll aufgrund eines Fehltritts aus dem Kreis eines etwas lachhaften Mondkults verstoßen werden, Lohengrin hingegen verspricht sich von der Ehe mit ihr eine Abwechslung zum öden Grals-Alltag. Die Hochzeitsnacht mit der schmalhüftigen Gattin erweist sich jedoch als herbe Enttäuschung, und so ergreift er die erstbeste Gelegenheit zur Flucht auf seinem geliebten Schwan.

Bei der Inszenierung im Hebbel-Theater unterteilt die Regisseurin Ingrid von Wantoch Rekowski die groteske Szenerie in zwei Abschnitte: Im Foyer des Theaters erwartet den Besucher zunächst eine Klanginstallation als Vorbereitung auf das verschachtelte, schwer erschließbare Libretto. In der eigentlichen Inszenierung, der sogenannten azione invisible agieren Musiker, Chor, sowie die Protagonistin Elsa auf einer kargen, schwarz-weiß gehaltenen Bühne. Die Dramaturgie bleibt letzten Endes Aufgabe der Musik.

Wie sein unlängst verstorbener Landsmann Luigi Nono, beschäftigt sich auch Salvatore Sciarrino in seinen Werken mit den Möglichkeiten neuer Klangwirkungen, dem Verhältnis von Klang und Stille und der Artikulation von Lauten, die sich im "Lohengrin" zu einer teils tierischen, teils menschlichen Sprache verbinden.

Hagen Kohn

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