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BIldbetrachtung: Jubelperser, Prügelperser

Rüdiger Schaper betrachtet Bilder vom 14. Juni 2009 in Teheran und 2. Juni 1967 in Berlin und findet Similaritäten.

In Iran wird Geschichte geschrieben. In Deutschland wird Geschichte umgeschrieben. Der West-Berliner Polizist Kurras, der am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, war bei der Stasi: Muss man deshalb Entstehung und Legitimität der Studentenbewegung in die Tonne treten?

Was sonst noch geschah an jenem fatalen Tag im Juni, scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Vor 42 Jahren hielt sich der Schah von Persien zu einem Staatsbesuch in West-Berlin auf. Zu seiner Unterstützung waren einige seiner Landsleute in die Stadt gekommen, die sich zunächst still und geordnet mit Reza-Pahlevi-Bildern an den Straßenrand stellten, dort, wo ihr Herrscher sich der Bevölkerung zeigte. Als erste Proteste gegen das Schah-Regime laut wurden, schlugen die Kaisertreuen los. Sie warfen Steine und prügelten auf die Demonstranten ein, mit Stahlruten und den Latten, an denen die Konterfeis Pahlevis befestigt waren. „Vor dem Schöneberger Rathaus und der Deutschen Oper haben sich diese bewaffneten Perser wiederholt gegen die unbewaffneten Demonstranten wenden können; die West-Berliner Polizei schaute zu“, schrieb damals „Die Zeit“.

So kam es zu dem Namen „Jubelperser“ oder besser „Prügelperser“. Sie sollten Straftaten provozieren. Sie hatten Verbindungen zum berüchtigten persischen Geheimdienst und Folterapparat SAVAK, der Oppositionelle rücksichtslos verfolgte. SAVAK-Leute wurden im Zuge der islamischen Revolution reihenweise hingerichtet.

Gewalt zieht Gewalt nach sich. Was man in diesen Tagen sieht, in den wenigen freien Fernsehbildern und Pressefotos, die uns aus Teheran erreichen, gleicht einem furchtbaren Déjà-vu. Auch wenn Ereignisse – an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen politischen Systemen – nicht miteinander vergleichbar sind. Revolutionsgardisten, Polizeischläger auf Motorrädern tauchen aus dem Nichts auf und greifen Demonstranten aufs Brutalste an. Sie jagen Studenten und verwüsten Universitäten. Sie töten, sie verteidigen das Regime Ahmadinedschad, so wie ihre SAVAK-Vorgänger Verbrechen im Namen des Schahs begingen. Sie attackieren Demonstrationen, um eine Staatsgewalt aufrechtzuerhalten, die allem Anschein nach bei den Wahlen betrogen und ihre ohnehin hauchdünne demokratische Grundlage eingebüsst hat.

Auch die Studenten in der Bundesrepublik anno 1967 sahen die Demokratie in Gefahr. Sie haben sich durchgesetzt. In Teheran gibt es kaum Hoffnung auf einen langen Marsch durch die Institutionen. Es wächst die Angst vor dem kurzen Prozess. Oder kann die Welt, die zuschaut, am Ende mit den Persern, den demokratischen, jubeln?

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