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"Pure Hate" hat jemand auf diese Scheune gesprüht.

© Rainer Sioda

Bilder aus dem Umland: Fotoband über Brandenburg zeigt bedrückende Bilder

Der Fotograf Rainer Sioda zeigt in seinem neuen Buch "Fack" Bilder von Plattenbauten und kargen Landschaften. Es geht darum, was falsch läuft in Brandenburg.

Die Sonne scheint nicht in Brandenburg. Zumindest nicht auf den Bildern von Rainer Sioda. Plattenbauten, Parkplätze, Paintball-Areale unter grauem Himmel sind zu sehen. Allein das Betrachten löst Unbehagen aus. Dort will man nicht sein. Dort, in den Wohnsiedlungen in Frankfurt an der Oder oder bei den goldgefärbten Autos in Wittstock.

„Fack“ prangt in schwarzen Lettern auf Siodas gerade erschienenem Bildband, den die Berliner Galerie Pavlov’s Dog am Sonnabend vorstellt. Der Titel sei als „Stoßseufzer“ gemeint, sagt der Künstler. Ausdruck für Dinge, die falsch laufen in Brandenburg: 20 Prozent AfD-Wähler, die Abwanderung junger, gebildeter Frauen, die Konzentration junger, wenig gebildeter Männer.

Seine bedrückenden Landschaftsbilder spiegeln diesen Zustand. Der Eindruck wird durch die Gestaltung des Fotobuches noch verstärkt. Erschienen ist der Bildband bei PogoBooks, nicht in Hochglanz, sondern auf rauem, mattem Papier und mit einem Einband aus grauem Karton. Das Erscheinungsbild des Buches spiegelt den Inhalt.

Gold und mit einem Eisernen Kreuz bedruckt - diese zwei Autos standen vor einer Wohnsiedlung in Wittstock.
Golden und mit einem Eisernen Kreuz bedruckt - diese zwei Autos standen vor einer Wohnsiedlung in Wittstock.

© Rainer Sioda

Die Bilder zeigen Go-Kart-Bahnen, Seen und gigantische Werbetafeln. Die Menschen, die in Brandenburg leben, bleiben unsichtbar, repräsentiert nur durch ihre Spuren: den Sperrmüllmöbeln der vergangenen Techno-Party, den zwischengelagerten Autos. Das sei in Ordnung, man sehe ja auch kaum Menschen, wenn man durch die Dörfer fahre, erklärt der Künstler. Nur wenn er sein Stativ aufstellt, raschelt es manchmal hinter den Gardinen.

„Ich will damit nicht sagen: So ist Brandenburg“, sagt Sioda. Es gebe auch schöne Seiten, aber um die geht es ihm in diesem Fotoband nicht. Sondern um die Platte, die Spritzputz-Wände der kleinen Garagen, um den kargen Boden, die Brandenburger Kiefer und den Hass der Zurückgelassenen, Vergessenen. „Ich habe dich immer geliebt“ und „Pure Hate“ hat jemand auf Wände gesprüht. Auf einem Auto prangt ein Reichsadler. Verzweiflung und Wut blitzen zwischen kahlen Baumgerippen und niederbetonierten Landstrichen hervor.

Der Rechtsdrall in Brandenburg war für Sioda der Anlass seines Buches. Auch den vor allem bei den Rechten omnipräsenten Heimatbegriff will er damit thematisieren. Heimat ist nicht immer schön, nicht immer angenehm anzusehen.

Tonnenweise. Eine gigantische Werbetafel an der Autobahn.
Tonnenweise. Eine gigantische Werbetafel aus Containern an der Autobahn.

© Rainer Sioda

Es brodelt unter der Oberfläche

Trotz des ernsten Anlasses fehlt es aber auch nicht an Ironie: „Wohnen bei uns“ steht in großen roten Buchstaben an einem heruntergekommenen Plattenbau, „Gästehaus“ ist in abgeblätterten Lettern an einem anderen zu lesen und ein mit Sprühfarbe gezeichneter Smiley lacht dem Betrachter aus dem Fenster eines tristen Wohngebäudes entgegen.

Auf Bildbeschreibungen verzichtet Sioda, auch auf Ortsmarken. Nur so viel ist klar: alles Brandenburg. Die Bilder sind zwischen 2010 und 2017 entstanden. Viele seiner Motive entdeckt der Fotograf auf seinen Rennrad-Touren. Er kennt es gut, dieses Brandenburg. Das Bundesland ist Protagonist in den meisten seiner Arbeiten.

Die Bilder wollen Brandenburg nicht repräsentieren, sondern einen Teil davon dokumentieren – und mehr. Sioda verdichtet die Realität, die Fotos zeigen nie dasselbe Motiv, vermitteln jedoch alle ein ähnliches Gefühl. Dadurch wird die Welt in „Fack“ in Teilen zu einer überzeichneten und fiktiven.

„Es gibt kein ruhiges Hinterland“, diesen Spruch liest man, wenn alle Fotos angeguckt und das Buch zugeklappt ist, auf der Rückseite. Und es stimmt. Die Bilder zeigen keine Landidylle. Ein Haus, ein Wald, ein Auto: Trotz der auf wenige Dinge reduzierten Aufnahmen und der Ruhe, die dadurch in die Bilder kommt, hat man das Gefühl, es brodelt unter der Oberfläche.

Galerie Pavlov’s Dog, Bergstr. 19

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