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Kultur: Bildung: Vorschlag zur Güte

Ob ein Urteil, das jetzt erzwungen würde, sehr viel anders ausfallen würde, wird sich jede Seite überlegen müssen", sagte Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) unmittelbar nach der Verkündung. Und er hob hervor, wie "erstaunlich nahe" das Bundesverfassungsgericht "im fernen Karlsruhe" mit seinem Vorschlag der märkischen "Lebenswirklichkeit" gekommen sei.

Ob ein Urteil, das jetzt erzwungen würde, sehr viel anders ausfallen würde, wird sich jede Seite überlegen müssen", sagte Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) unmittelbar nach der Verkündung. Und er hob hervor, wie "erstaunlich nahe" das Bundesverfassungsgericht "im fernen Karlsruhe" mit seinem Vorschlag der märkischen "Lebenswirklichkeit" gekommen sei. "Es wäre eine gute Grundlage, um in Kürze zu Rechtssicherheit zu kommen." Deutlicher hätte die Botschaft des sozialdemokratischen Länderchefs und früheren Konsistorialpräsidenten kaum ausfallen können, den Kompromissvorschlag des Bundesverfassungsgerichtes anzunehmen - und so den jahrelangen Rechtsstreit mit den Kirchen und der Union um das Schulfach Lebensgestaltung, Ethik, Religion (LER) und den konfessionellen Religionsunterricht im Lande doch noch gütlich beizulegen. "Der Vorschlag verdient Respekt", kommentierte Wolfgang Huber, Bischoff der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. Er sei komplex, müsse genau geprüft werden. Dazu haben alle Streitparteien nun Zeit bis zum 31.Januar 2002.

Trotz der spürbaren Erleichterung und ersten wohlwollenden Reaktionen - im Detail birgt der Vorschlag der Karlsruher Richter durchaus noch einige Tücken und Zündstoff, müssen sich "beide Seiten noch bewegen", wie auch Stolpe betonte. Aber insgesamt sei es ein Kompromiss, so ein CDU-Regierungsmitglied, "den beide Seiten als Erfolg betrachten können". Empfohlen hat das Gericht ein ganzes Paket, um das Verhältnis von LER und Religionskunde neu auszutarieren.

Geldprobleme

Es soll vor allem eine Stärkung des Religionsunterrichtes ermöglichen, der anders als in den meisten anderen Bundesländern in Brandenburg bislang kein ordentliches staatliches Schulfach ist, sondern lediglich an ausgewählten Schulen in Eigenregie der Kirchen angeboten wird. So solle dieser, so Karlsruhe, künftig in der Regel schon "ab zwölf Teilnehmern" durchgeführt werden, wobei das Land den Kirchen die Kosten ohnehin erstattet: Da diese Mindest-Schwelle bisher bei 16 Teilnehmern liegt, deutete Stolpe allerdings schon "Probleme bei der Finanzierung an".

Bereits jetzt finanziert Brandenburg den konfessionellen Religionsunterricht jährlich mit vier Millionen Mark. Nicht nur eine symbolische Frage: Wie für die regulären Fächer würde es künftig Noten für den Religionsunterricht in Brandenburg geben, die auf Antrag der Eltern in den Zeugnissen vermerkt werden könnten. Auch die vom Verfassungsgericht empfohlene Einbindung des Religionsunterricht "in den normalen Stundenplan" entspricht einer Forderung der Kirchen.

Andererseits haben Kirchen und Union jenes Ziel nicht erreicht, das zumindest in der Vergangenheit der wichtigste Angriffspunkt war: Nach dem Vorschlag des Ersten Senates bleibt das Fach LER als Pflichtfach erhalten. Die damalige SPD-Alleinregierung hatte es 1996 eingeführt und vor allem damit begründet, dass lediglich 20 Prozent der Brandenburger konfessionell gebunden seien. "Es scheint so, dass wir damit leben können", kommentierte Brandenburgs SPD-Landeschef Matthias Platzeck dem Tagesspiegel denn auch zufrieden. Es sei Linie der Brandenburger SPD, sich einer Verbesserung "des Religionsunterrichtes nicht zu versperren", zumal der Streit und das getrübte Verhältnis zu den Kirchen "nicht gut getan habe". Platzeck hob hervor, dass jetzt klargestellt sei, dass LER nicht grundgesetzwidrig sei.

Einfache Erklärung

Auch würde es als Pflichtfach nicht angetastet und Religion nicht zum Wahlpflichtfach. Dieses vor allem von der evangelischen Kirche geforderte Modell, das zwischen LER und Religionsunterricht gewählt werden könne, hatte die Brandenburger SPD im Vorfeld strikt abgelehnt.

Allerdings geht der Vorschlag des Gerichtes, worauf CDU-Regierungskreise wert legen, zumindest in diese Richtung. So soll die bereits existierende Befreiungsmöglichkeit vom LER-Unterricht auf Wunsch von Eltern und Kindern erleichtert werden und "durch einfache Erklärung gegenüber der Schule" möglich sein. Andererseits, so die salomonische Formel, solle "durch die zeitliche Gestaltung die Möglichkeit zur gleichzeitigen Teilnahme am LER- und am Religionsunterricht nicht ausgeschlossen werden". Kein Wahlpflichtfach im klassischen Sinne.

Die Lebenswirklichkeit sieht bislang ohnehin so aus, dass viele Schüler in Brandenburg weder LER noch Religionsunterricht besuchen können. Selbst an dem von der Landesregierung favorisierten Pflichtfach LER nehmen lediglich 55 Prozent der Schüler der 7. bis 10. Klassen teil. Das Landesbildungsministerium in Potsdam gibt vor allem den Mangel an Fachkräften als Grund für den noch geringen Ausbaustand an. Gemeinsames Ziel aller Beteiligten müsse daher ohnehin sein, so der Regierungschef, dass künftig kein Schüler die Schule ohne LER oder Religionsunterricht verlasse.

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