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Musik-Literatur-Quartett: Vanessa Perez (Klavier), Bill Murray (Stimme), Jan Vogler (Cello) und Mira Wang (Geige).

© Peter Rigaud/Decca

Bill Murray in der Philharmonie: Das Klavier ist betrunken

US-Literatur trifft auf Klassik: Hollywood-Star Bill Murray tritt mit Jan Vogler & Friends in der Philharmonie auf.

Rockstars und seltener auch Musiker der klassischen Abteilung nehmen nach getaner Arbeit gerne die Dienste eines Handtuchs in Anspruch. Bill Murray betritt, sich die spärlichen Haare trocknend, die Bühne der Philharmonie, in der jeder zweite Zuschauer vom Platzregen gezeichnet ist. Er wird Texte über jene vortragen, denen das Wasser bis zum Hals steht, die mit den Tränen kämpfen, vor Rührung oder Verzweiflung. Helden mit geröteten Augen. Murray, der ein seltsam bedrucktes Hemd trägt – exotische Fische oder Kometen, vielleicht auch beides –, bestreitet seinen sehr eigenen Streifzug durch die amerikanische Literatur aber nicht alleine. Aus einem gemeinsamen Flug über den Atlantik entwickelte sich die Freundschaft des Schauspielers mit dem Cellisten Jan Vogler. Jahre danach bastelten sie einen Abend aus Literatur und Musik zusammen, der als Gastspiel der Dresdner Musikfestspiele nun in Berlin Station macht. Cello, Geige, Klavier und eine Stimme, die auf Kompositionen zu sprechen weiß und auch in innig gedrungener Diktion zu singen beginnt.

Murray, Vogler, Mira Wang an der Violine und Vanessa Perez am Klavier rühren damit an den Ursprung des Melodrams, in dem Dichtung auf Musik gesprochen wird. Eine archaische Form, auf hohe Tragik verweisend. Doch Murray liefert nichts ab, was hölzern tönt. Schubert hat auf dem Sterbebett die Indianer-Romane von James Fenimore Cooper gelesen, und seine Musik verschmilzt gegen alle Erwartungen tatsächlich mit dem Text. Eine Lederstrumpf-Sehnsucht mit Klaviertrio. Hemingways lebenssatte Selbstauskünfte treffen auf Bach, Ravel und Piazzolla. Henry Mancini umspielt sanft Mark Twain, die tastende Selbstfindung Huckleberry Finns inmitten einer Gesellschaft von Sklavenhaltern funkelt auf in „Moon River“.

Die wundersamen Kabinettstückchen fügen sich zu einem großen Strom, der über zwei Stunden nicht abreißt. Murray tanzt versunken mit der Geigerin, als sei er noch immer „Lost in Translation“, er krächzt als würdiger Vertreter von Tom Waits „The piano has been drinking, not me“ und geht vor der Größe der Schöpfung beinahe in die Knie mit Van Morrisons „When will I ever learn to live in God“. Das ist kein Abend für einen Star plus Begleittrio, das ist eine Quartett-Liebe, die eigentlich gar kein Ende finden will. Nach den Zugaben schmeißt Murray Rosen durch den Saal. Nie flogen sie annähernd so weit.

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