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Kultur: Bin ich etwa normal?

Er trägt Sternenbrillen und Glitteranzüge.

Mister Collins, selbst ein Egozentriker wie der Soulsänger James Brown sagt über Sie, Sie seien der beste Bassist der Popgeschichte.

Ach naja. Als wir anfingen, hatten wir ja keine Ahnung, dass wir mit unserer Musik Geschichte schreiben würden. Die meisten meiner Freunde haben lieber Baseball gespielt, ich und ein paar andere dagegen sind nachts durch die Clubs gezogen und erfanden zufällig einen neuen Sound. Geplant war das nicht. Aber um ehrlich zu sein: Es fühlt sich verdammt gut an.

Ihr großer Durchbruch kam, als James Brown Sie 1968 auf seine Welttournee mitnahm. Sie waren gerade erst 17 Jahre alt.

Das war die beste Zeit meines Lebens. Ich hatte vorher nur in kleinen Clubs gespielt, ohne je Geld dafür zu bekommen. Man kann sich das heute kaum mehr vorstellen. Wir haben uns zu fünft in ein altes Auto gequetscht, unsere Instrumente auf das Dach gebunden und gebetet, heil anzukommen. Mit James Brown hat sich das geändert.

Sie hatten von Anfang an eine Sonderstellung in der Band. Während die anderen Musiker mit dem Bus reisten, durften Sie in James Browns Privatjet fliegen.

James Brown war ein Kontrollfreak. Er hat vom ersten Tag an auf mich aufgepasst. Vor allem wollte er mich von den Mädchen fernhalten. Ich fand das ungerecht, weil die anderen ihren Spaß hatten, nur ich nicht. Oder zumindest durfte er es nicht mitbekommen. Auch ein James Brown geht irgendwann ins Bett.

Sie mussten sich aus ihrem Hotelzimmer schleichen?

So ungefähr. Aber er hat es, glaube ich, immer gewusst, zumindest geahnt. Eigentlich ging es ja um nichts anderes, als den Leuten eine heiße Show zu bieten und danach ein paar Mädchen abzuschleppen.

Die Zusammenarbeit mit James Brown hatte nicht nur angenehme Seiten. Er gilt als geiziger Geschäftsmann.

Ob ich zuviel verdiente oder zuwenig, hat mich nie bekümmert. Es war eher umgekehrt. Ich dachte, ich müsste James Brown dafür bezahlen, dass ich mit ihm spielen darf. Er war immerhin der größte Popstar der Welt. Wenn dich heute Jennifer Lopez fragen würde, ob du in ihrer Band spielen möchtest, dann verhandelst du nicht lange über dein Honorar. Aber es hat sich in den letzten dreißig Jahren vieles geändert. Früher traf man sich mit der ganzen Band, und es wurde viel miteinander geredet, um einen Song aufzunehmen. Heute gehst du ins Studio, nimmst deinen Part auf, und dann kommt der Nächste dran. Ich vermisse den Spaß. Aber vor allem vermisse ich den Funk.

Was meinen Sie damit?

Funk ist für mich eine Lebenseinstellung, ein Stil. Vielleicht ist Normalität das Gegenteil von Funk. Nehmen Sie mich: Ich bin 50 Jahre alt, trage einen Bruce-Lee-Leoparden-Anzug und Scorpionringe an meinen Fingern. Ist das etwa normal? Ich lebe einfach den Funk.

Ist Funk eine Kleiderfrage?

Nein. Ich werde Ihnen ein Beispiel nennen. Als ich für Aufnahmen meines neuen Albums nach London flog, erfuhr ich zufällig, dass die Sängerin Macy Gray in der Stadt war. Ich rief sie an und fragte, ob sie nicht Lust hätte, kurz bei mir im Studio vorbeizukommen. 30 Minuten später war sie da und brachte ihre komplette Band mit. Wir haben die ganze Nacht gespielt. Ohne Pause. Das ist Funk. Stattdessen heißt die erste Frage heute meist: „Interessant, aber wie hoch ist mein Honorar?"

Sie jammern den guten, alten Zeiten hinterher.

Ein bisschen. Doch denken Sie an Seeed...

...die Berliner Reggae-Band...

...die Jungs mussten im letzten Jahr auf fast jedem verdammten Festival spielen, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Ihre Band besteht aus 13 oder 14 Musikern. Sie machen trotzdem weiter, auch wenn sie mit diesem riesigen Ensemble nicht reich werden. Das ist Funk.

Sie arbeiten seit 1997 mit dem deutschen Produzenten Mousse T. zusammen. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Ich traf ihn eher zufällig. Doch nach einem ersten Gespräch war ich vollkommen überwältigt. Ich meine, Mousse T. kommt aus Hannover und erteilt mir eine Lehrstunde über den Funk! Ich kam mir vor wie die Zeichentrickfigur Homer Simpson, die diese lustigen Tagträume hat. Mousse T. hat geredet und ich habe in Gedanken all diese neuen Aspekte des Funk gesehen. So entstand 1997 das Album „Fresh Outta P-University".

Sind Produzenten heute wichtiger als früher?

Oh, bestimmt. Dass Musiker Entwicklungen maßgeblich beeinflusst haben, liegt Jahre zurück. Heute schaffen das nur noch Produzenten. Fast alle musikalischen Trends gehen von ihnen aus, vor allem in der schwarzen Musik. Es sind Leute wie Timbaland oder Dr. Dre, die heute den Ton angeben.

Die beiden produzieren vor allem HipHop.

HipHop ist der Funk des neuen Jahrtausends. Leute wie Timbaland sind ausgebildete Musiker, die jahrelang studiert haben. Man muss sich also nicht wundern, wenn es immer die gleichen drei oder vier Produzenten sind, die neue Strömungen initiieren.

Dr. Dre hat Anfang der 90er Jahre Ihren Funk gesampelt und mit HipHop-Beats kombiniert.

Ja, endlich. Dr. Dre hat den Funk auf eine ganz neue Generation übertragen. Wir hätten das nie geschafft. Sein erstes Album „The Chronic" ist eines der besten HipHop Alben aller Zeiten.

Es war also eine logische Weiterentwicklung?

In der Tat. Als ich von James Brown wegging, um mit George Clinton zu spielen, haben wir aus dem ursprünglichen Funk unsere eigene Version, den P-Funk entwickelt. Er war schmutziger und viel abgedrehter als der traditionelle Soul-Funk eines James Brown. Dr. Dre ist dann einen Schritt weiter gegangen: Er hat aus unserem P-Funk seinen G-Funk herausdestilliert, den „Gangsta-Funk".

Und Sie waren zufrieden?

Es war großartig. Dr. Dre und Snoop Dogg fragten, ob sie unsere Stücke sampeln dürften. Es war, als ob ein kleiner Junge zu seinem Vater geht und mit gesenktem Haupt fragt: „Papa, du hast doch diesen alten Cadillac in der Garage stehen. Erlaubst du mir, ihn zu frisieren?

Trotzdem hat kaum ein Popmusiker Ihre Exzentrik erreicht. Ihr Markenzeichen ist die Sternenbrille. Man kennt Sie nicht ohne.

Mir war in der Schule immer langweilig, also habe ich angefangen zu malen. Immer das gleiche Bild: Ein Strichmännchen mit Sternengitarre und Sternenbrille.

Sie haben also schon früh an Ihrer Karriere gearbeitet?

Ich habe die Schule sehr schnell verlassen, weil ich meine Zeichnungen in die Tat umsetzen musste.

Nehmen Sie die Brille denn auch mal ab?

Ja. Zu Hause. Aber nur, weil ich sonst Ärger mit meiner Frau bekomme.

Das Gespräch führte Lars-Erik Amend.

Bootsy Collins: „Play With Bootsy“ (wea)

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