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Biopic „Ein Leben zwischen Licht und Schatten“: War Mutter Teresa ein radikaler Charakter?
Erst Friedensnobelpreis, dann Heiligsprechung. Doch das Idealbild von Mutter Teresa als Engel der Armen hat Kratzer. Das unkonventionelle Biopic „Teresa – Ein Leben zwischen Licht und Schatten“ geht dem nach.
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So ist Mutter Teresa weltberühmt geworden: als eine Ikone der Barmherzigkeit, der gelebten Nächstenliebe, der absoluten Hingabe an den Glauben und der Fürsorge für die Ärmsten und Ausgestoßenen, für die Obdachlosen, ledigen Mütter und Leprakranken.
Geboren wurde sie als Anjezë Gonxhe Bojaxhiu 1910 im nordmazedonischen Skopje, gestorben ist sie 1997 als Gründerin des Ordens der „Missionarinnen der Nächstenliebe“ in Kalkutta.
Da war sie schon lange indische Staatsbürgerin, ausgezeichnet mit dem Friedensnobelpreis, verehrt von den Großen der Welt und mit einem Staatsbegräbnis geehrt. 2016 hat Papst Franziskus die berühmte Greisin im weiß-blauen Baumwollsari dann heiliggesprochen.

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Ihr weltweit arbeitender Orden hat bis heute ungefähr 5000 weibliche und auch einige Hundert männliche Mitglieder. Erst im vergangenen Jahr wurden Missbrauchsvorwürfe gegen die „Missionarinnen der Nächstenliebe“ laut, wie sich auf dem Nachrichtenportal der Katholischen Kirche nachlesen lässt. Ehemalige Ordensschwestern beklagten ein repressives Regiment im Orden und sprachen von Demütigungen und körperlichen Grenzüberschreitungen bis zu sexuellem Missbrauch. Vorwürfe, die es auch in früheren Jahren schon gegeben hat.
Mutter Teresa selbst hat trotz der weltweiten Verehrung schon zu ihren Lebzeiten Kontroversen ausgelöst. Etwa durch ihre Ablehnung von Empfängnisverhütung und besonders von Abtreibungen, die sie 1979 in ihrer Nobelpreis-Dankesrede als „Mord“ und als „größten Zerstörer des Friedens“ bezeichnete.
Immer wieder wurde auch ihre intransparente Einwerbung und Verwendung von Spendengeldern kritisiert. Und die karge soziale und medizinische Versorgung in ihren Sterbehospizen, wo Moribunde ohne Schmerzmittel auskommen sollten, obwohl sie vorhanden waren.
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„Mutter Teresa war keine Freundin der Armen, sie war eine Freundin der Armut. Sie sagte, Leiden sei ein Geschenk Gottes“, hat der britische Journalist und Religionskritiker Christopher Hitchens 2003 anlässlich der Seligsprechung Mutter Teresas geschrieben und damit deren katholische Leidensverherrlichung und den mangelnden Kampf der Ordensfrau gegen die strukturellen Ursachen von Armut und ungewollten Schwangerschaften kritisiert.
Tatsächlich hat Mutter Teresa den Ordensnamen „Missionarinnen der Nächstenliebe“ nicht gewählt, um Sozialarbeiterin zu werden, sondern um eine Gemeinschaft gläubiger Frauen zu gründen, die im Leiden ihres Nächsten das Leiden Jesu Christi erblicken und gleichzeitig helfen und missionieren wollen.
Zu Beginn im Elend der Slums im gerade mal ein Jahr unabhängigen Indien. Ein für die Zeit revolutionäres Unterfangen, was auch im Biopic „Teresa – Ein Leben zwischen Licht und Schatten“ deutlich wird. Die Regisseurin, Teresa Strugar Mitevska, stammt ebenfalls aus Skopje und hat 2019 auf der Berlinale mit ihrer im Wettbewerb gezeigten Satire „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ auf sich aufmerksam gemacht, in der sich eine Frau gegen den männlichen Klerus auflehnt.
Jetzt zeichnet sie Mutter Teresa, die für sie trotz der Kontroversen ein „Rockstar und eine feministische Ikone ist“, als radikalen Charakter mit Ehrgeiz und ungebärdigem Willen. Ein Psychogramm, das bei Mitevska weder zur Hagiografie noch zur Heiligenzertrümmerung taugt.

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Teresas Leben schnurrt in dem unkonventionellen Biopic auf sieben Lebenstage der 37 Jahre alten Loreto-Schwester in Kalkutta zusammen, die Rom hartnäckig nervt, weil sie unbedingt einen eigenen Orden gründen will. Einen, der nicht in ruhiger Klausur lebt und draußen höchstens Mädchenklassen unterrichtet, wie das die Loreto-Schwestern tun, sondern einen, der auf die Straßen geht und den Armen die Maden von den eiternden Wunden liest.
Eine fahrige Handkamera, Close-ups auf die angespannten Züge der Schwedin Noomi Rapace, die eine viel zu schöne Mutter Teresa abgibt, E-Gitarrenriffs und Anleihen an das Genre der Nonnen-Horrorfilme, wenn Teresa von Alpträumen geplagt wird, verleihen Mitevskas Inszenierung einer unerbittlichen Frau Drive und Dringlichkeit. Wenn in einer der Tagtraum-Sequenzen die Nonnen dann zum Song „Hard Rock Halleluja“ von Lordi auf dem Konventsflur headbangen, kommen allerdings kurzfristig Assoziationen an Whoopi Goldberg in „Sister Act“ auf.
Es stimmt, auch „Teresa – Ein Leben zwischen Licht und Schatten“ ist nicht frei von den üblichen Nonnenfilm-Klischees unterdrückter Erotik und zärtlicher Schwesternschaft. Die durch die Veröffentlichung der Briefe von Mutter Teresa 2010 jedoch im Nachhinein offenbar gewordene Tatsache, dass die vermeintliche Heilige jahrzehntelang an schlimmsten Glaubenszweifeln litt, die manche für eine Erschöpfungsdepression hielten, klingt in den Zweifeln von Mitevskas Filmfigur glaubwürdig an. Ja, sie machen ihre Frömmigkeit sogar rigider.
„Jede Schwester darf nur einmal alle zehn Jahre ihre Familie besuchen“, schreibt Teresa in die Ordensregeln, die sie gemeinsam mit ihrer rechten Hand Schwester Agnieszka (Sylvia Hoeks) ausgearbeitet hat. Was denn im Fall eines familiären Notfalls sei, fragt die. „Es gibt keine Ausnahmen, für niemanden“, antwortet Teresa.
Regisseurin Mitevska hat vor 15 Jahren schon einen Dokumentarfilm über die letzten vier Nonnen gedreht, die noch mit Mutter Teresa in Kalkutta zusammengelebt haben. Auch wenn ihr bei Drehbuchsätzen wie „Ich bin eine Frau in einem von Männern geführten System, überall Männer, Männer, Männer“ der feministische Furor durchgegangen sein mag, kann man von einer soliden Kenntnis von Werk und Leben ihrer komplexen Heldin ausgehen.
Fragt sich bloß, ob das Drama der Lieblingsschwester Agnieszka, das Teresa an die Grenzen ihrer viel gerühmten Barmherzigkeit bringt, einer fiktionalen Überhöhung entspringt.
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