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Kultur: Bis zum 78 Lebensjahr verfasste die Ein-Mann-Schreibfabrik 155 Romane und verkaufte 83 Millionen Bücher

Er war ein Splitter im Auge der Kulturkritik, die sich stehts weigerte, seine literarischen Ergüsse zu entmischen und in die Bestandteile zu zerlegenUlrike Baureithel Ein Liebesverhältnis war es gewiß nicht, das die "Firma Konsalik" und die Zensoren des deutschen Geisteslebens unterhielten. Wer erklärtermaßen nie die inwendige Qual an einem einzigen deutschen Satz auf sich nahm, wer sich nicht vom Leiden an der Menschheit oder sich selbst verzehrt offenbart, wer öffentlich zugibt, nur dem Markt dienen zu wollen und darüber hinaus und alle landläufigen Vorurteile über das Literatendasein brüskierend auch noch unverschämt erfolgreich ist, dem wird die Aufnahme ins Literarische Quartett dieser Republik auf immer verwehrt bleiben.

Er war ein Splitter im Auge der Kulturkritik, die sich stehts weigerte, seine literarischen Ergüsse zu entmischen und in die Bestandteile zu zerlegenUlrike Baureithel

Ein Liebesverhältnis war es gewiß nicht, das die "Firma Konsalik" und die Zensoren des deutschen Geisteslebens unterhielten. Wer erklärtermaßen nie die inwendige Qual an einem einzigen deutschen Satz auf sich nahm, wer sich nicht vom Leiden an der Menschheit oder sich selbst verzehrt offenbart, wer öffentlich zugibt, nur dem Markt dienen zu wollen und darüber hinaus und alle landläufigen Vorurteile über das Literatendasein brüskierend auch noch unverschämt erfolgreich ist, dem wird die Aufnahme ins Literarische Quartett dieser Republik auf immer verwehrt bleiben. Um so mehr, als sich das Quartett und sein Tross längst zu einer Art Konkurrenzunternehmen gemausert haben, mit einer Produktpalette literarischer Markenartikel. "Gute" Marken, zertifiziert, versteht sich.

Ein Splitter im Auge der Kulturkritik war Konsalik, der - wie gestern von seiner Familie mitgeteilt wurde - am späten Sonnabend Nachmittag im Alter von 78 Jahren in seinem Heim in Salzburg nach Jahren der Zuckerkrankheit an einem Schlaganfall starb, von jeher. "Hauptvehikel der ideologischen Massenbeeinflussung", mit dem ab 1950 "die Herzen und Hirne der westdeutschen Bevölkerung" "verseucht" und "gleichzuschalten" versucht worden sei, mit dem Ziel, die jüngste Vergangenheit zu "rechtfertigen" und zu "glorifizieren", geißelte etwa Jost Hermand vor zwanzig Jahren im damals geläufigen Jargon. Als besonders verdächtig in der Kalten-Krieg-Literatur der Adenauer-Ära erschien ihm die Kriegslager-Epopö "Der Arzt von Stalingrad" des im Erscheinungsjahr 1956 noch völlig unbekannten Autors Heinz Günther, der unter dem Mädchennamen seiner bulgarischen Mutter Konsalik firmierte. Dabei war der lesebesessene Professor Hermand aus Madison einer der ganz wenigen im damaligen Kulturestablishment, der sich überhaupt in die Niederungen des Trivialen verstieg, um zu "entlarven", was die aufgeklärte Literaturkritik längst snobistisch abgelegt hatte: Diese öde Welt der Schwarz-Weiß-Gegensätze und Feindbilder, in der der "gute" Deutsche den Ausgang des Zweiten Weltkriegs revidierte, christlich-europäische Kultur gegen russisch-asiatisch-kommunistische Primitivität auftrat und in der die faschistischen Verbrechen beruhigend ausgeblendet blieben.

"Gefährlich" nannte man vor zwei Jahrzehnten solche Literatur, "ideologisches Gift", das den eigentlich erziehungsfähigen "Massen" entweder - wie in der DDR - prophylaktisch vorenthalten werden mußte oder das zumindest mit einer kulturkritischen Gegeninjektion bedurfte. Doch der "aufgeklärte" Kriegsroman fand kein massenhaftes Publikum, und je weiter die Bundesrepublik mit den Ruinen die Vergangenheit entsorgte, die sentimentale "Liebe am Don" (1970) in die Ferne rückte und der Eiserne Vorhang schließlich löchriger wurde, war der sich zur "Firma" mausernde Schreibbetrieb Konsalik am Attersee gezwungen, seine Sujets zu verändern und den Zeitläuften anzupassen: Zuerst waren es Arztromane (durch die Verfilmung bekannt geworden etwa "Dr. med Erika Werner"), in den letzten beiden Jahrzehnten schließlich Jetset-Stories wie der Kreuzfahrtroman "Promenadendeck" (1985), aus dem gelernt werden kann, daß die Superreichen superdumm und unglücklich sind. Mitunter nahm Konsaliks skandalgestimmte Feder auch vorweg, was die katastrophische Wirklichkeit erst noch bereithielt: Terroranschläge, Flugzeug-Entführungen, Wirtschaftskriminalität aller Art, fürsorglich bestückt mit weiblichen Hinterteilen und Titten, die die erzählerische Langatmigkeit und die sprachliche Unterforderung überbrücken helfen.

Die Konsalikschen Ergüsse zu entmischen und in seine Bestandteile zu zerlegen, hat die zünftige Literaturkritik - wie gesagt - in aller Regel verweigert, nicht zuletzt, weil ihr der Gegner satisfaktionsunfähig erschien. Sie hätte allerdings auch darüber nachdenken können, was die "Firma Konsalik" und die "Firma Bundesrepublik" unterirdisch so einte und welche Rolle ihr selbst dabei zukam.

Der Aufstiegswille des 1921 in Köln geborenen Kriegsberichtserstatters, der mit den Nazis paktierte, in Russland schwer verwundet wurde und nach dem Krieg mit seinen Kriegslegenden avancierte, war gnadenlos. An Konsalik prallte die Aufklärungskritik ebenso ab wie "das System" die Spitzen der Studentenbewegung absorbierte. Man darf dem ausgefuchsten Geschäftsmann Konsalik durchaus abnehmen, daß ihn nur die kaufwillige Leserschaft interessierte und nicht die Literaturkritik.

Zusammengeschweißt blieben Konsalik und seine Kritiker indessen doch, denn nichts hat die Hilflosigkeit der Kulturkritik entwaffnender vorgeführt als der massenhafte Verbrauch von "Konsalik-Welten" in aller Welt: 155 Romane in 42 Sprachen übersetzt, bisher in 83 Millionen Exemplaren verbreitet, die, wie eine Zeitung einmal ausrechnete, täglich 2800 Menschen beglücken - darunter so populäre Titel wie "Liebesnächte in der Taiga" und "Frauenbataillon". Sein letzter Roman erschien im vergangenen Mai mit dem Titel "Der Hypnosearzt".

Der letzte zahnlose Versuch, Konsalik publizistisch zu "entlarven", liegt vier Jahre zurück und füllte nichts weiter als ein dröges Sommerloch. Damals monierten sich der Schriftsteller Wolfgang Bittner und Kollegen darüber, daß vier Romane des Kolportagemeisters mit öffentlicher Filmförderung realisiert und in die deutschen Wohnzimmer transferiert werden sollten. "Faschistoides Denken" lautete damals das professoral abgesicherte Verdikt. Konsalik verzichtete gelassen auf eine Verleumdungsklage, und die Streifen kamen, begleitet von geringem öffentlichem Aufsehen und erstaunlicherweise ohne die erwarteten hohen Einschaltquoten, ins Fernsehen.

Die sprachmächtig-ideologiekritischen Posen sind mittlerweile verstummt und liegen verstaubt in den Antiquariaten; einträchtig übrigens neben den ausrangierten "Konsaliks" in der billigen Grabbelkiste. Friede auf Erden, solange der Rubel rollt: Mit der "Firma Bundesrepublik" rollt er eben auch für die "Firma Konsalik" und umgekehrt.

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