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Kultur: Bitteres Recht

Bernhard Schulz über Museen und die Erblasten der Nazi-Zeit

W enn sich am heutigen Montag eine hochrangige Expertenrunde bei Kulturstaatsminister Neumann im Kanzleramt einfindet, geht es um „Erfahrungen aus der Restitutionspraxis“. Doch was sich im Einladungsbrief so unverbindlich liest, bezeichnet in Wirklichkeit die heikelste Lage, in die deutsche Kulturpolitik kommen konnte: Es geht um die Rückgabe „NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes“.

Was als moralische Selbstverpflichtung begann, hat sich zum knallharten Kommerz entwickelt, dem sich die betroffenen Museen hilflos ausgeliefert sehen. Der blitzschnelle Wechsel des Kirchner-Gemäldes „Berliner Straßenszene“ aus dem Brücke-Museum in die New Yorker Privatgalerie des Sammler-Milliardärs Ronald S. Lauder hat deutlich gemacht, mit welch herzensguter Naivität die Bundesrepublik vor Jahren alle juristischen Hürden beiseite geräumt hat, um Herausgabeansprüchen zu genügen. Mittlerweile sind die hoch professionellen Recherchen von Auktionshäusern und Anwälten zu den Beständen deutscher Museen weit genug gediehen, um allerorts Rückgabeforderungen zu stellen.

Das lässt sich kaum mehr ändern. Neumann hat gestern nochmals den „Vorrang der moralischen Verantwortung“ betont. Wie aus seinem Umfeld zu hören ist, wird es weder eine Wiedereinführung von Verjährungsfristen geben, noch die Einrichtung eines Feuerwehrfonds, aus dem restituierte Kunstwerke zurückerworben werden könnten. Wenigstens solle die Limbach-Kommission zur gütlichen Einigung von Streitfällen „gestärkt“, die Tür und Tor öffnende juristische Maßgabe namens „Handreichung“ von 2001 „optimiert“ werden.

Diese „Handreichung“ geht weit über die Ende 1998 in der „Washingtoner Erklärung“ zum NS-Raub niedergelegten Grundsätze hinaus. Das ist ihr Konstruktionsfehler. Doch gegen alles Unbehagen steht die bittere Tatsache, dass Restitutionsforderungen zu den Folgelasten der Nazi-Zeit zählen. Weil sie nicht rechtzeitig bewältigt wurden, fallen sie nun umso heftiger auf die Museen nieder. Die brauchen dringend Hilfe bei der Sichtung und Bewahrung ihrer Schätze. Dies zumindest wird Neumanns Runde anmahnen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, NS-Untaten zementieren zu wollen.

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