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Oberster Vorturner. Ozzy Osbourne (hier im Jahr 2011) war in Berlin groß in Form.

© picture alliance / dpa

Black Sabbath in der Wuhlheide: Rührende Antichristlichkeit

Ja, manche Fans müssen ihren Scheitel nachfärben, und Ozzy Osbournes Armgewedel hat inzwischen etwas von softer Wirbelsäulengymnastik. Trotzdem: Black Sabbath haben in Berlin nicht nur fast in Originalbesetzung gespielt - sondern auch so gut, dass man sie nicht aus den Augen lassen wollte.

Alles fit, Ozzy? Rücken agil? Drogen weggesperrt? Nägel schwarz manikürt? Genügend Fledermäuse verputzt? Dann kann es ja losgehen mit Black Sabbath, den Satansbraten aus Birmingham, den ältesten Kinderschrecks der Hardrockgeschichte, die seit 1969 rocken – und auf der aktuellen Tour sogar fast in Originalbesetzung auftreten: Der gut gelaunte, agile, hoch motivierte Ozzy Osbourne, dazu Gitarrist Tony Iommi, der das Doommetalriff als solches erfunden hat, und Geezer Butler, dessen Finger über den Saiten seines tieffrequenten, verzerrten Basses nie zur Ruhe kommen.

Auf dem Podest der Wuhlheider Kindl-Bühne sitzt zudem wie ein tätowierter Mullah der 34-jährige, bärtige Tommy Clufetos und verprügelt seine Toms, als ob er sauer auf sie wäre: göttlich. Entschuldigung, teuflisch natürlich, denn darum geht es Black Sabbath, schließlich hat man einen Ruf zu verteidigen. Und auch wenn man Kelly Osbourne genauso oft in der „InTouch“ sieht wie das Konterfei ihres kajalverschmierten Vaters auf ausgeblichenen T-Shirts, kann man das dem Gig nicht ankreiden: Wessen Herz auch nur ein bisschen für langsamen, psychedelischen Hard Rock schlägt und wer beim Berliner Konzert 1970 nicht konnte (später kamen sie stets mit wenigen Originalmitgliedern), der muss die Show lieben.

Das tun die Fans, alle 17 000 im ausverkauften Venue, selbstredend. Man hat sich fein gemacht, die Bärte gezwirbelt, die Haare nachgefärbt, die schönsten Kutten rausgeholt, und nun steht man glücklich im Moshpit und reckt beidhändig die Mano Cornuta, den Satansgruß. Oder spielt Luftgitarre, jeden einzelnen Ton jedes Iommi-Solos. Oder trinkt literweise Bier. Oder beeindruckt mit Choreo: Ein 1,90 Meter großer, schwarz gekleideter Mann, der seinen blonden Bart sauber zu einer kleinen Kinnzigarre zusammengeschnürt hat, hält sich während des Anfangs von „War Pigs“ („Generals gathered at their masses / just like witches at black messes“) cool und gerade wie ein Stock, und beim aus allen Kehlen mitschallenden, entfesselnden „Oh lord yeah!“ beugt er sich nach vorne und lässt die hüftlangen, blonden Haare wie ein Ventilator kreisen, zum Entzücken derer um ihn herum, die ihm natürlich den nötigen Kreiselplatz einräumen. Der Metaller als solcher ist berühmt für seine Höflichkeit.

Erstaunlich mobiler Ozzy Osbourne

Ozzy, der im Oktober 65 wird, und seine erstaunliche Mobilität (Waren da nicht Quad-Unfälle? Schlaganfälle? Drogen-Rückfälle?) höchstwahrscheinlich dem Trinken von Jungfrauenblut verdankt, litaniert dazu fast immer tongenau seine Anekdoten über Begegnungen mit dem Bösen – „What is this that stands before me? Figure in black which points at me?“ – und lässt die starken, aber in ihrer geradlinigen Antichristlichkeit fast schon wieder rührenden Worte auf einer Leinwand entsprechend bildlich flankieren, ohne viel Firlefanz: Bei „Snowblind“ werden in Großaufnahme Drogen gehackt und konsumiert, bei „Black Sabbath“ zeigen besessene Menschen das Weiße in ihren Augen, Flammen lodern, böse Nonnen schlucken Oblaten und Papa Ratzi grüßt vom Vatikan – die Bilder sind wohl doch schon ein wenig älter. Oder Ratzingers Gesichtsausdruck erschien den Bildgestaltern der Show einfach diabolischer als die stoisch-freundliche Mimik des aktuellen Katholiken-Souveräns.

Black Sabbath hatten sich in ihrer langen Karriere mehrmals unter anderem wegen Ozzys Drogenkonsum aufgelöst, Satanismusvorwürfe begleiteten sie ohnehin, und in jüngster Vergangenheit gab es immer wieder kurzfristige Konzertabsagen wegen verschiedener gesundheitlicher Probleme. Doch heute mag man nicht mal Bier holen gehen, so sehr möchte man der Show beiwohnen. Und der Abend hatte bereits hervorragend begonnen: Soundgarden, die nur von den Ältesten im Publikum als Jungspunde bezeichnet werden, eröffneten für Black Sabbath, spielen dabei unter anderem einige Songs ihrer grandiosen „Badmotorfinger“- und „Louder than Love“-Alben, „Black Hole Sun“ sowieso, und in der Sonnenhölle der Wuhlheide die Köpfe zum komischen 7/4-Takt von „Outshined“ zu nicken, während der Gitarrist Kim Thayil mit schickem grauen Bart auf der Bühne herumfetzt, und Chris Cornell singt „I’m looking California / and feeling Minnesota“, das ist ja eigentlich haargenau das Richtige für so einen Pfingstsonntag.

Bei Black Sabbath ist es dann aber dunkel geworden, um den Finsternisfürsten bei Laune zu halten. Ozzy agitiert, er wedelt seine Arme hin und her und fordert die Fans auf, mitzumachen, was zwar auf Dauer ein wenig nach softer Wirbelsäulengymnastik aussieht, aber vielleicht tut das dem wilden Mann ja ganz gut.

Black Sabbath spielen zwei Songs aus ihrem letztjährigen 19. Studioalbum mit Namen „13“, und Tony Iommis blau getönte Brille scheint tatsächlich ein bisschen zu beschlagen, als er endlich als Zugabe das reduzierte Riff von „Paranoid“ anschlägt. Und als der Schlagzeugmullah in Trommeltier-Manier eines seiner metalsymptomatischen Soli anstimmt – wieso sich auf eine Bassdrum beschränken, wenn man doch genauso gut zwei treten kann? – lässt das Geballer die Eingeweide zittern. Was gut so ist. Denn genau darum ist man ja hier.

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