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Satansbraten. Bassist Geezer Butler, Sänger Ozzy Osbourne und Gitarrist Tony Iommi.

© Universal

Black Sabbath sind wieder da: Noch einmal 14 sein

Der Produzent Rick Rubin hat mit den Heavy-Metal-Veteranen von Black Sabbath ein grandioses Comebackalbum aufgenommen.

Man kann sich kaum vorstellen, dass Ozzy Osbourne nicht immer schon aussah wie ein Freak. Nun aber, da Black Sabbath mit einer neuen Platte eine unerwartete Wiederauferstehung feiern, erinnert man sich auch wieder an die Ursprünge der Band. In Musikmagazinen werden alte Bandfotos aus den frühen Siebzigern herausgekramt, auf denen zwischen Schlaghosenträgern mit zotteligen langen Haaren und fiesen Schnauzern auch ein Milchbubi mit sanftem Blick zu sehen ist, ein Schönling.

Kaum zu glauben, das ist er: Ozzy Osbourne, den spätestens seit der Reality-Sitcom auf MTV, „The Osbournes“, die ganze Welt nur als von exzessivem Drogenkonsum gezeichnete Rockstar-Karikatur kennt, dessen aktiver Wortschatz sich auf das Wörtchen „Fuck“ zu begrenzen scheint.

Osbourne ist nicht der einzige Rockstar, dem man im Alter seinen Lebenswandel anmerkt. Aber bei ihm war alles noch extremer und schriller als bei den anderen. Es gibt kaum eine Phase in seinem Leben, in der er nicht alkoholabhängig war, seine Solokarriere nach dem Zerwürfnis mit den Bandkollegen von Black Sabbath war ein Desaster. Selbst wer nie einen Ton Musik von ihm gehört hat, kennt die schaurige Anekdote, dass er bei einem Konzert einer lebenden Fledermaus den Kopf abgebissen habe. Und dieser Mann, der in „The Osbournes“ als lebender Zombie auftrat, beinahe taub, dauerbedröhnt und sich allenfalls noch über seine Hunde erregend, wenn sie wieder einmal in seine komplett geschmacklos eingerichtete Beverly-Hills-Villa gekackt hatten, diese Witzfigur also ist jetzt wieder, vielleicht zum letzten Mal: ein begnadeter Rocksänger.

Zu verdanken hat Ozzy Osbourne, 64, das dem Produzenten Rick Rubin. Rubin brachte den Sänger wieder mit seinen alten Kumpanen, dem Gitarristen Tony Iommi, 65, und dem Bassisten Geezer Butler, 63, zusammen. Ihr letztes gemeinsames Album war 1978 herausgekommen, alle Reunionsversuche waren gescheitert, zeitweilig führten die ehemaligen Jugendfreunde sogar Prozesse gegeneinander, in denen es um viel Geld ging. Das alles, den Groll, die Gier und die Ego-Kämpfe mussten sie hinter sich lassen, als Rubin sie in sein Studio nach Malibu einlud. Denn der Produzent verlangte von ihnen, alles zu vergessen, was nach den Aufnahmen ihrer ersten, im Februar 1970 herausgekommenen Langspielplatte musikalisch passiert ist.

„13“ – so der Titel des neuen Albums – ist eine Reise in eine Zeit, in der die Haare noch länger waren, die Lederjacken speckiger und der Rock ’n’ Roll noch eine lautstarke, dunkle Kraft. Es beginnt mit metallisch scheppernden, schleppenden E-Gitarrenakkorden und einem Zeitlupenbass, aus dem sich Osbournes somnambul zerdehnte Stimme erhebt, um eine angemessen schwachsinnige Frage zu stellen: „Is this the end of the beginning? / Or the beginning of the end?“.

Die Antwort lautet: Das ist ein verdammt guter Anfang, gerade weil er so schön stumpf und endzeitlich klingt. Hier erhebt Osbourne wieder sein Haupt als „Fürst der Dunkelheit“, und auch Iommi und Butler finden auf den acht Stücken des Albums zu alter Prägnanz zurück. Sie schlüpfen noch einmal in die Rollen der Teenager aus einer Vorstadt von Birmingham, die sie einmal waren, und, geplagt von der Langeweile des englischen Nordens den Heavy Metal erfanden. Die Stücke heißen „Loner“, „Age of Reason“ oder „Dear Father“, sie fasern manchmal auf epische acht, neun Minuten aus, ohne dabei etwas von ihrer Dringlichkeit zu verlieren. Es steckt viel guter alter Bluesrock in dieser Musik und ein bisschen windschiefe Psychedelia, wie man sie auch von den frühen Pink-Floyd-Platten kennt. Vor allem aber geht von den bedrohlich wabernden, immer wieder mit Kürzestsoli angereicherten Gitarrenwänden eine ungeheure Energie aus, zu der man gut den Kopf vor- und zurückstoßen kann. Der Fachterminus dafür lautet: headbangen.

Tony Iommi, der seit Jahrzehnten den Ehrentitel „Gitarrengott“ trägt, beweist, dass er immer noch die Balance zwischen effektvollen Riffs und Metal-typischen Gitarrensoli hinbekommt. In der Ballade „Zeitgeist“ scheint er sogar zum versierten Jazzgitarristen zu mutieren. Ihm fehlen seit einem noch vor seiner Musikkarriere erlittenem Arbeitsunfall zwei Fingerkuppen der rechten Hand, was dazu führte, dass er eine eigene, inzwischen oft kopierte Spieltechnik entwickeln musste. In der mit Bandschleifen einsetzenden Midtemponummer „Damaged Soul“ setzen Iommi, Butler und die von Rubin dazugeholten Studiomusiker zu einer ausuferndem Jamsession ein, eine überraschende Wendung für eine Band, die einst angetreten war, der Flower Power den Garaus zu machen und den Tod anstatt das Leben zu feiern.

Rick Rubin, der mit seinem schlohweißen Prophetenbart an eine alttestamentarische Figur erinnert, gilt in der Rock-’n’-Roll-Branche als Spezialist für die unlösbaren Fälle. Der gebürtige New Yorker, 50, war ein Weggefährte der Beastie Boys und kann sich für Hip-Hop genauso wie für Metal begeistern. Legendär wurde er als Produzent der puristischen „American Recordings“ von Johnny Cash, auf denen teils nur die Stimme und die akustische Gitarre des alternden Countrystars zu hören ist. „Ich bin mein Leben lang ein Fan von Black Sabbath“ hat Rubin erzählt. Die Arbeit mit der Band habe ihn so stimuliert, dass er sich wieder wie ein 14-Jähriger gefühlt habe. „Mein Ziel“, so lautete der Plan, „ist, etwas zu erschaffen, das ich noch ewig hören kann“.

„13“ hat das Zeug zum Klassiker. Der beste Song ist eine philosophisch-theologische Erörterung zu wuchtig bratzenden E-Gitarren mit dem Titel „God Is Dead“. Von Zweifeln und Sünden singt Ozzy Osbourne da, von Menschen, die huren und morden, und von Priestern, denen er ihrren Messwein missgönnt. Er wehklagt: „When will this nightmare be over? / When can I empty my head? / Is God really dead?“. Gott mag tot sein. Der Rock ’n’ Roll lebt. Andreas Hartmann

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