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Kultur: Blätter und Blicke

GRAPHIK

Einer verbreiteten Ansicht zufolge gehören Liebhaber von Altmeistergraphik zu den stillen Kunstkennern im Lande. Und tatsächlich nähert sich diese Spezies heute zumeist in der konzentrierten Ruhe eines Graphischen Kabinetts, ausgerüstet mit weißen Baumwollhandschuhen, den auf freier Wildbahn selten gewordenen Objekten ihrer Begierde – ein Vergnügen, das auch im Berliner Kupferstichkabinetts jedermann möglich ist. Vorbei jedoch die Zeiten, als ein keinesfalls schwerreicher Jäger und Sammler selbst eine Zeichnungskollektion von europäischem Rang aufbauen konnte. Aus den knapp 3500 Blättern der Sammlung Adolf von Beckerath , die vor genau einhundert Jahren geschlossen für das Kupferstichkabinett erworben worden sind, steht nun als erste Präsentation des neuen Direktors Thomas-Hein Schulze-Altcappenberg eine Auswahl von 114 italienischen, niederländischen und deutschen Meisterzeichnungen für den „Kunstsinn der Gründerzeit“ zu besichtigen (Kulturforum, bis 23. 3., Katalog 34 Euro). Dieser zielte eben nicht per se aufs großspurig Repräsentative. Zwar besaß auch der 1834 geborene Beckerath, der in Berlin einen Seidenhandel betrieb, zwei mit Kleinbronzen der Renaissance und exzellenten frühen Majoliken vollgestopfte Sammlungskabinette. Natürlich machte auch er Jagd auf große Namen, was kapitale Blätter von Mantegna, Raffael, Tizian, Dürer oder Rembrandt beweisen. Doch die kluge, das Sammlungsprofil repräsentierende Auswahl verdeutlicht: Hier sammelte ein konziser Denker, dem die wissenschaftliche Musealisierung seiner Schätze ebenso am Herzen lag wie der noch aufgeschlossene Blick der jungen Moderne auf europäische (Kunst-)Geschichte.

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