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Kultur: Blaues Wunder - "Balloon Flower" empfohlen von 3 - 99 Jahren

Väter kaufen auf Jahrmärkten für ihr Kinder gerne Luftschlangen. Solche aufgepusteten Dinger, die man zu Blumen verknoten oder sich um die Ohren hauen kann.

Väter kaufen auf Jahrmärkten für ihr Kinder gerne Luftschlangen. Solche aufgepusteten Dinger, die man zu Blumen verknoten oder sich um die Ohren hauen kann. Es sind symbolische Geschenke, denn sie zerplatzen meist an der nächstbesten Ecke. Aber sie machen Väter und Kinder sehr glücklich. Jeff Koons "Balloon Flower", die durchaus an dieses banale Paradoxon erinnert - wird, gelinde gesagt, ähnlich polarisierende Wirkungen haben.

Der gigantische Frühblüher misst zweihundertneunzig Zentimeter in der Länge, ist drei Meter fünfunddreißig breit und zweifünfundachtzig hoch. Das Kunstwerk ist glänzendblau, spiegelklar und wurde in über 10 000 Stunden auf Hochglanz poliert. Gut und schön, denn wer bei Jeff Koons "public work" einkauft, will ja schließlich kein Mauerblümchen. Schon gar nicht für den Potsdamer Platz, für die Vorzeigemeile des Neuen Berlin. Seit 1997 hatte die Unternehmensgruppe Daimler Chrysler sechs Skulpturen im Areal zwischen Hochhäusern, Wasserflächen, Hotels und Großkinos aufstellen lassen, Arbeiten von international geehrten Künstlern wie Mark di Suvero, Nam June Paik, Keith Haring, François Morellet, Jean Tinguely und Robert Rauschenberg.

Sie alle sind auf ihre Art präsent und wiedererkennbar. Und so gesehen liefert die Arbeit von Jeff Koons einen dekorativen Abschluss, als blaue Riesenschleife am gigantischen Kunstpaket. Zur Enthüllung gab es natürlich Auflauf am Marlene-Dietrich-Platz. Kameraleute und Fernsehteams haben die Neuigkeit berlinalesphärisch abgefilmt. Meister Koons konnte davor seine Übungen machen: Den glücklichen Papa geben mit ausgebreiteten Armen, der damit wild um sich schlägt und gleich fliegt.

Aber der einstige Szene-Clown und poppige Kunstweltdarling ist jetzt ein Mann Mitte Vierzig. Seine Legende hat man schon bühnengerecht dekonstruiert. Das Theaterstück zum Künstler von Rainald Goetz läuft derzeit am Hamburger Schauspielhaus. Darin darf man öffentlich sagen, wie sehr Koons von der Rolle ist. Dabei lief bei ihm noch bis 1993 alles so wie in einem Pop-Art-Märchen. Er war der geliebte Skandalbruder, der Superstar und der Mann von Porno-Queen Cicciolina. Er konnte sich riesengroße Plüschtiermonumente aus Porzellan gießen lassen oder drollig als ambitionierte Blumenskulptur pflanzen.

Seine Ehe hat er zur Pin-Up-Performance gemacht und mit "Made in Heaven" auf die Spitze getrieben. Als er schließlich die Geburt seines Sohnes feiern konnte, kündigte er eine Gigantenreihe an. Mit "Celebrations" würde er einzigartige Skulpturen und großformatige Gemälde zeigen. Sujets, wie gemacht für einen Kindergeburtstag. Partyhütchen, Torte, Popcorn und Playmobilmännchen. Mit Farben, wie aus der Buntstiftepackung. Rot, Gelb, Blau, Rosa, Grün. Auch eine blaue Luftschlangenblume gehörte zu den Modellen. Sie war maßstabgerecht, aber winzig. Sie muss die strengen deutschen Kunstexperten in ihrer Schlichtheit an die Blaue Blume Sehnsucht erinnert haben. Oder an ihre eigenen Söhne.

Nach Auftragsabschluß, als im Frühjahr 1998 die Thüringer Firma Arnold-Diller den Realisierungsauftrag bekam, ahnte niemand die immensen Fertigungsprobleme. Man hörte zwar vom finanziellen Albtraum, in dem sich der einstige Blitzverdiener Koons wegen der Herstellungskosten für "Celebrations" wiederfand. Er musste Ausstellungstermine absagen. Umsonst wurde in Guggenheim Bilbao gewartet. Sogar "Balloon Flower" stand zwischendurch wohl ernstlich in Frage. Aber die Thüringer wollten sich wohl nichts nachsagen lassen und haben als Handwerker der Spitzenklasse nach diversen Koon-Besuchen geduldig weiterpoliert.

Von nun an steht Teil eins von Koons "Celebrations" in Berlin. Papa Jeff hat seinem Sohn eine Freude gemacht. Ob die anderen Teile je fertig werden, hat ihn noch niemand gefragt. Nun kann man sich über die "Balloon Flower" freuen, sich im blauen Wunder spiegeln oder sich darüber das Maul zerreißen. Vielleicht sollte man sich auch an Walter Grasskamps frühe Mahnung erinnern, dass Kunst im Außenraum auch immer ein Indikator für das Niveau der politischen Kultur ist. Dann wundert man sich auch nicht mehr so sehr, dass private Papa-Wunder enthüllt werden - aber lang geplante öffentliche Denkmale nicht.

Thea Herold

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