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Zwischen Jona (Naomi Achternbusch) und Ferdi (Tom Lass) besteht blindes Vertrauen.

© Daredo Media

„Blind & hässlich“ im Kino: Schau mir in die Augen, Kleiner

Sozial herausgefordert. „Blind & hässlich“ ist eine romantische Komödie über ein gestörtes Paar.

Von Andreas Busche

Als Jona (Naomi Achternbusch) das erste Mal Ferdi (Tom Lass) trifft, läuft er am Ende panisch davon und lässt das Mädchen perplex stehen. Ihre Begegnung findet auf einer Brücke statt, Ferdi hängt über dem Geländer, bereit zum Sprung. Jona kann ihn gerade noch zum Zurückklettern überreden. Die Brücke ist in Tom Lass’ „Blind & hässlich“ so was wie ein symbolischer Ort, an dem sich zwei Außenseiter wie Jona und Ferdi wohl zwangsläufig über den Weg laufen müssen. Sie hat keine Lust, auf Menschen zuzugehen, er kann einfach nicht. Ihm fehlen schlicht die sozialen Skills, außerdem ist er mit einem eindrucksvollen Gebiss gesegnet, das ihm schief im Gesicht sitzt. Zum Glück ist Jona blind. Dass sie sein Aussehen ertasten muss, macht ihn trotzdem nervös.

Jona und Ferdi sind ein Paar, wie es sie im deutschen Kino nur selten gibt. Es braucht wohl erst einen Autodidakten wie Tom Lass, der seinen zweiten Langfilm „Blind & hässlich“ souverän am deutschen Kinobetrieb vorbeilancieren konnte. Wobei, ganz außerhalb der Institutionen ist sein Film nicht entstanden, „Blind & hässlich“ ist eine Koproduktion des kleinen Fernsehspiels. Trotzdem besitzt er die Anmutung von Outsider Art.

Romanze mit Hindernissen

Für eine romantische Komödie fehlt beiden Figuren eigentlich die nötige Sozialkompetenz. Das Genre basiert im Grunde ja auf einer einfachen Prämisse. Der Prozess der Paarbildung führt zwangsläufig über Umwege, ist gepflastert mit Missverständnissen – beziehungsweise einer Lüge. Jona ist nämlich gar nicht blind. Sie hat auf der Flucht vor einem Leben in Eigenverantwortung (ihr Abitur hat sie verbockt) lediglich im Wohnheim ihrer blinden Cousine Cécile (Clara Schramm) Unterschlupf gefunden.

Um der Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen, insbesondere gegenüber dem neugierigen Hauswart, geht sie in ihrer Rolle auf, inklusive Stock und Blindenhund. Und das neue Leben bietet so manche Vorteile. Dank ihres Handicaps ist sie sozialen Konventionen nun auch offiziell nicht unterworfen, die Freiräume nutzt sie weidlich aus.

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Ganz im Gegensatz zu Ferdi, der soziale Umgangsformen erst erlernen muss – in einem Heim für betreutes Wohnen. Über Ferdi findet Jona auch einen Job in einem Club; was man halt so macht als gescheiterte Existenz in Berlin. Nur mit Ferdi kommt sie nicht weiter, der will immer nur reden. Bindungsunfähig ist gar kein Ausdruck. Irgendwann schwant Jona, dass sie ihm die Wahrheit sagen muss.

Neue Gesichter im deutschen Kino

Natürlich erzählt man eine Beziehungsgeschichte wie „Blind & hässlich“ nicht wie einen gewöhnlichen Liebesfilm. Die Verstocktheit seiner Protagonisten findet stattdessen in wunderbar skurrilen Dialogen Entsprechung, den grotesken Übersprungshandlungen seines unwahrscheinlichen Liebespaares verleiht Lass in abrupten Szenenwechseln und Jump-cuts Ausdruck. Die Manierismen wirken seit „Love Steaks“ von Jakob Lass vertraut, der ältere Bruder hat sogar einen Cameo-Auftritt als „Hundereparateur“. Ebenso Axel Ranisch, der Schutzpatron des „German Mumblecore“. Es bleibt in der Familie.

Der Improv-Habitus könnte auch leicht auf den Geist gehen, wenn die Lass-Brüder nicht ständig neue, überraschende Gesichter aus dem Hut zaubern würden. In „Blind & hässlich“ ist die Entdeckung Naomi Achternbusch, die den anarchischen Geist ihres Vaters Herbert geerbt hat. Lass muss sich eigentlich bloß noch auf ihre Intuition verlassen. Achternbuschs schräge Energie ist tatsächlich zum Verlieben.

Der Film läuft in 6 Berliner Kinos.

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