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Kultur: Blindes Vertrauen

Albert Oehlen stellt in der Galerie Hetzler neue neben ältere Bilder

So wenig braucht es, um eine Leinwand zu füllen: Ein hässliches Poster, das für Sprachkurse, Ferienwohnungen oder Pferdeakrobatik wirbt. Und einen Maler wie Albert Oehlen, der sich aus Prinzip jenseits aller ästhetischen Vereinbarungen bewegt und auf die laute Sprache der Werbung mit seinem eigenen Vokabular reagiert.

Sparsam, so scheint es, denn die neuen Gemälde in der Galerie Max Hetzler zeigen viel weißen Raum. Erst recht, wenn man sie mit jenen Bildern von 1991 vergleicht, die Oehlen aus Privatsammlungen ebenfalls für seine aktuelle Schau zusammengetragen hat. In einer klugen Ausstellungsarchitektur, die den Blick auf jeweils nur eine Dekade erlaubt, wandert man durch die Zeiten, muss sich dann aber drehen und wenden, um die Unterschiede zu erfassen. Im Vergleich fällt die Farb- und Formendichte der früheren Bilder, fallen die zahllosen Überlagerungen um so mehr auf.

Oehlens aktuelle Produktion ist konzentrierter. Bunter auch und so gegenwärtig wie die späten Arbeiten eines Michel Majerus, an die man sich Momente lang erinnert fühlt. Das mag an den Versatzstücken aus der Realität liegen, die beide in ihre Arbeiten lassen. Doch während der 2002 tödlich verunglückte Majerus aus einer ihm nahen Welt der Comics und Icons geschöpft hat, beschäftigt sich Oehlen mit dem völligen Gegenteil: mit Plakaten, deren Farben, Gestaltung und Inhalte ihm eigentlich zuwider sind.

In dieser Spannung steckt eine verblüffende Kraft. Jedenfalls für Oehlen, der abstrakte Schlieren in kräftigem Rosa oder schmutzigem Grün, dunstige Grauschleier und riesige Buchstaben in Handarbeit dagegen setzt – und gewinnt. „Mein Anliegen war eine abstrakte Malerei, die durch penetrante Werbeelemente eine genervte Stimmung hat“, erklärt Oehlen im Ausstellungskatalog. Von dieser Penetranz ist jedoch wenig übrig, weil es dem Maler meist gelingt, das Aufdringliche der Poster zu brechen.

Leicht ist ihm das nicht gefallen, vieles hat er nach eigener Aussage vernichtet, und auch aus dem Versuch, Werbeanzeigen auf „niedrigstem Niveau“ zu nutzen, ist offenbar wenig Brauchbares erwachsen. Erst der komplexere Aufbau jener Vorlagen, die Oehlen nun verwendet, scheint ihm die alte Sicherheit wiederzugeben. So entsteht Vertrautes mit neuen Oberflächen. Eine Leinwand, die sich als Motiv behauptet und zugleich alles in Frage stellt, was klassische Bildgestaltung anbelangt. Die dabei so schnöde von ihrem eigenen Produktionsprozess erzählt, dass man sie nicht anschauen kann, ohne darüber nachzudenken. Oehlen beherrscht das längst – oder auch wieder – so souverän, dass er dafür nicht einmal mehr den Bildraum füllen muss.

Galerie Max Hetzler Temporary, Osram-Höfe, Oudenarder Str. 16-20; bis 20. Dezember, Di-Sa 11-18 Uhr.

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