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Kultur: Bloß weg vom Set

Die Forderung nach mehr Wirklichkeit im Film ist fast so alt wie das Medium selbst. Dabei fängt das Kino – teils aus Budgetgründen, teils aus Überzeugung – Alltag ein, seit die Bilder laufen können.

Die Forderung nach mehr Wirklichkeit im Film ist fast so alt wie das Medium selbst. Dabei fängt das Kino – teils aus Budgetgründen, teils aus Überzeugung – Alltag ein, seit die Bilder laufen können. Ein besonderer Reiz geht von Filmen aus, die Realismus und Künstlichkeit verbinden. Die Gräfin von Monte Christo (1932), einer der Überraschungserfolge der späten Weimarer Republik, wirft einen kritischen Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik und zeigt, wie eine Komparsin vom Regisseur schikaniert wird. Sie muss immer wieder, Einstellung für Einstellung, einen Koffer voller Steine zu ihrem Wagen schleppen und dann ein paar Meter aus dem Bild fahren. Irgendwann verliert sie die Geduld und rast mit dem Wagen davon. Die mittellose Frau wird wegen der Luxusgarderobe und ihres Gefährts für eine Gräfin gehalten und spielt das Spiel mit. Der von Karl Hartl inszenierte Film wechselt das Genre so abrupt wie die Protagonistin ihren Lebensstil. Man flieht mit ihr aus der Wirklichkeit und landet in der heilen Ufa-Welt. Dass man der statuarisch schönen Brigitte Helm die Komparsin abnehmen konnte, war einem akustischen Schönheitsfehler zu verdanken, der in Stummfilmen wie „Metropolis“ nicht auffiel: ihrer ziemlich gewöhnlichen, ungeschulten Stimme (Montag in der Urania-Filmbühne).

Ein paar Brocken Deutsch gehören zum Pflichtprogramm von Hollywoodprominenten, die ihren neuen Film bei uns promoten. Kein Grund, darüber in Verzückung zu geraten – in den ersten Tonfilmjahren haben Greta Garbo, Buster Keaton oder Laurel & Hardy ganze Rollen auf Deutsch gelernt. Und Hitchcock hat 1930 einen deutschsprachigen Film inszeniert, mit der Exilrussin Olga Tschechowa als unschuldig Verdächtigter: Mary – Sir John greift ein , die deutsche Fassung des Thrillers Murder . Auch hier wird die Welt der Künstler mit dem grauen Alltag kontrastiert. Hitchcock blickt hinter die Kulissen eines Theaters, aber er führt auch die trostlosen Mietskasernen von Soho vor, in die sich bis dahin noch kein Filmemacher verirrt hatte (Originalfassung am Sonnabend, deutsche Fassung am Sonntag im Zeughaus-Kino).

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