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Kultur: Blues mit dem Dreck zwischen den Zehen

SCHWARZER SOUND

Auch hier zu Lande sind Sängerinnen aus Mali längst bekannt. Was jedoch Kandia Kouyaté von Kolleginnen wie Oumou Sangaré oder Rokia Traoré unterscheidet, ist ihre Stimme. Und die schlägt das Publikum im Kesselhaus der Kulturbrauerei sofort in ihren Bann. Kouyatés Alt beschränkt sich nämlich nicht auf den üblichen weiblich-näselnden Vortrag, sondern entfaltet eine Ausdruckskraft, die an Salif Keita oder die große Gospelsängerin Mahalia Jackson erinnert. Gospel aus Mali?

Ganz abwegig ist der Vergleich nicht. Denn die beleibte, in ein aufwändig gelegtes Gewand gekleidte Kouyaté singt überlieferte Geschichten wie auch Lobpreisungen auf ihre Schutzherren. Und ihre akustische Band an Djembé-Trommel, Kürbisharfe, Ngonis und Balafon klingt wie eine Urform dessen, was der Jazztrompeter Dizzy Gillespie längst verloren glaubte: „Blues mit Dreck zwischen den Zehen". Fast andächtig sitzen die bodenständigen Musiker hinter ihren Instrumenten, aus denen in der Neuen Welt irgendwann das Banjo und die Blue Notes auf dem Klavier hervorgegangen sind. Die ausgefeilten Arrangements der Lieder liefern einen sanften, aber ungemein präsenten Groove – mal ein stetig murmelnder, mal ein reißender Fluss, der sich unbeirrt durch Steppenland schlängelt. Niger meets Mississippi. Diese Assoziation entsteht auch dann, wenn die Band ausgelassen improvisiert, wenn Kouyaté in ergreifende Shouts ausbricht und das elektrifizierte Ngoni zur schrummelnden Gitarre wird. Afrika? Selten ist man sich dessen Wurzeln in der westlichen Popmusik auf solche magische Art und Weise bewusst geworden, wie bei diesem Konzert.

Roman Rhode

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