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Bob Dylan, der Poet mit der Gitarre.

© dpa

Bob Dylan und die Nobel-Akademie in Stockholm: Der sture Bob

Bob Dylans Schweigen ist kein Grund zur Panik: Bei der Verleihung des Literaturnobelpreises war es schon immer spannend.

George Bernhard Shaw reagierte gereizt, als ihm der Preis zuerkannt wurde. Er bekomme ihn wohl als Belohnung dafür, dass er ein Jahr lang nichts veröffentlicht habe. Das geschah 1925. Später hat er den Nobelpreis doch noch angenommen, kam aber nicht zur Feier. Sein irischer Landsmann Samuel Beckett machte es ähnlich. Er blieb 1969 Stockholm fern und verteilte das Geld unter bedürftigen Freunden. Jean-Paul Sartre hat 1964 die Auszeichnung abgelehnt und kein Geld genommen, mit der Begründung, er sehe nicht ein, „dass fünfzig alte Herren, die schlechte Bücher schreiben, mich auszeichnen sollten. Die Leser sollen sagen, was ich wert bin.“ Im Übrigen habe die Akademie ihm mitgeteilt, dass die Frage der Annahme oder Ablehnung nicht Bestandteil ihrer Satzung sei. Es gab einen Skandal. Sartre wurde Hochmut vorgeworfen. Elfriede Jelinek akzeptierte 2004 die Nobilitierung, erschien aber nicht in Stockholm, sondern schickte ihre Nobel-Vorlesung per Video. Alles halb so wild. Wirklich schlimm ist, was mit dem Nobelpreisträger des Jahres 1958 passierte. Boris Pasternak musste die Auszeichnung auf Druck der sowjetischen Machthaber ablehnen.

Es hat manche Irritation gegeben in der Geschichte des immer noch bedeutendsten Literaturpreises. Und jetzt antwortet Bob Dylan nicht. Man hat noch keinen Ton von ihm vernommen nach der für viele doch überraschenden Entscheidung, diesmal einen Sängerpoeten zu ehren. In der schwedischen Akademie wirft man ihm Arroganz vor. Er sei nicht ans Telefon gekommen.

Eine Überraschung ist das nicht, wenn man sich ein wenig mit Dylan auskennt. Die Abwehr von Öffentlichkeit zieht sich als Leitmotiv durch seine Karriere. Von Pressekonferenzen Mitte der Sechzigerjahre gibt es Mitschnitte, die zeigen, wie das Genie als junger Rotzlöffel unglaublich witzig und schlagfertig die allerdings auch super dämlichen Fragen der Presse pariert, die nicht verstanden, dass eine andere Zeit begonnen hatte. Und dann verschwindet er. Keine weiteren Fragen, auf Jahrzehnte hin nicht. Nur manchmal ein Song über falsche Schlagzeilen in der Presse: „Idiot Wind“.

Unsichtbar wie Thomas Pynchon ist er nicht, schließlich steht kaum ein Rockstar so häufig auf der Bühne wie Bob Dylan. Aber auch die never ending tour gehört zur Camouflage. Kaum dass er einmal seine Bandmitglieder vorstellt. Er sagt einfach nichts. Er singt seine Lieder. Er ist auf seine Weise, die er allein bestimmt, stark präsent: mit immer neuen Alben und der Veröffentlichung alten, zum teil unbekannten Materials, mit seiner Malerei und neuerdings auch als Bildhauer, mit seiner Radioshow.

Wird er nach Schweden kommen? Die Nobel-Woche sieht für den 6. Dezember eine Pressekonferenz, für den 7. die Nobel-Lecture, für den 10. die Zeremonie und tags drauf das Ehrendinner vor. Ein Horror für einen Menschen, der solches Rampenlicht scheut. Dylans Tourneekalender im November ist prall gefüllt, für Dezember stehen da noch keine Termine. Wenn er aber partout nicht will, gibt es Alternativen. Todd Haynes hat einen grandiosen Dylan-Film gedreht, „I’m Not There“, ein bizarres Biopic mit sechs Dylan-Darstellern, einen Spätwestern. Cate Blanchett trifft ihn am besten. Sie ist sogar besser als das flüchtige Original. Sie kann nach Stockholm reisen und Bob Dylans Vortrag halten: „It Ain’t Me, Babe.“

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