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Max Herre, Campino, Bob Geldof und Thees Uhlmann beim Start von #BandAid30 Germany in Berlin.

© Lukas Schulze/dpa

Bob Geldof: Mitleid muss sein: "Do They Know It’s Christmas?"

Kaum ist die vierte Version von "Do They Know It's Christmas?" erschienen, schon nimmt Bob Geldof das Stück in Berlin mit deutschen Stars ein weiteres Mal auf. Der Chartiy-Wiederholungszwang des Iren wird langsam unerträglich. Ein Kommentar.

Ein Popstar-Albtraum: Das Telefon klingelt und Bob Geldof ist dran: „Ich nehme eine neue Version von ,Do They Know It’s Christmas?’ auf. Alle Einnahmen gehen direkt nach Afrika. Ich suche noch Leute, die mitsingen. Da habe ich an dich gedacht.“ Mist! Was soll man da antworten? Nee, keine Zeit? Nee, das ist mir zu oll? Oder: Du, ich finde, der Erste-Welt-singt-für-Dritte-Welt-Charity-Song hat sich überlebt? Kann man nicht bringen, wäre ja herzlos. Man muss ja helfen und Mitleid haben mit diesem vom Schicksal gebeutelten alten Musiker, der selbst einst das Mitleid in den Pop gebracht hatte, und dem seither nichts anderes mehr einfallen will, als diesen einen Song immer wieder neu einzuspielen.
Geschrieben hat Bob Geldof „Do They Know It’s Christmas?“, schockiert von den Bildern der äthiopischen Hungerkatastrophe, zusammen mit Ultravox-Sänger Midge Ure, eingespielt wurde das Stück 1984 mit Promikollegen wie Bono, Boy George, Sting, Phil Collins, David Bowie und Bananarama. Es brachte Millionen ein, weshalb es der irische Sänger am Wochenende in London zum mittlerweile vierten Mal aufgenommen hat. Am Montag erschien die Version, deren Erlöse in die Ebola-Gebiete Westafrikas gehen. Sanfte Synthies, gedämpfte Gitarrensaiten und wuchtige Schlagzeug-Beats begleiten die zeitgenössisch produzierte Neuauflage, die sich vor allem beim finalen Chorus wieder gnadenlos im Ohr festklebt.

Das Lied wird wahrscheinlich auch diesmal hohe Chartpositionen erreichen und beträchtliche Summen einspielen. Schließlich haben wieder irische und britische Stars wie Bono, Ed Sheeran, Ellie Goulding, Seal, Chris Martin oder Sinéad O’Connor mitgemacht. Sie werfen sich mit beträchtlicher Verve in ihre Zeilen. Doch all das ändert nichts daran, dass „Do They Know It’s Christmas“ ein schrecklicher Song ist und Geldofs Wiederholungstat herablassend, selbstgefällig und abstoßend. Schon die Bilder der lächelnd und winkend zur Aufnahmesession eintreffenden Stars wirken angesichts des Themas fast zynisch. Sieht man sie dann im Video beim „Feed the World“-Chor auch noch selig schunkeln und klatschen, möchte man sofort alle Songs der Beteiligten von der eigenen Festplatte löschen und aus dem Regal verbannen.

Da hilft es auch nicht, dass der Text ein wenig umgedichtet wurde. Die von Dürre handelnden Stellen sind raus, dafür heißt es jetzt:„No peace and joy this Christmas in West Africa/The only hope they’ll have is being alive/Where to comfort is to fear/Where to touch is to be scared.“ Immerhin drei Zeilen mit Ebola-Bezug. Doch was haben mehrheitlich muslimische Länder wie Guinea und Sierra Leone mit Weihnachten zu tun? Oder singen die West-Stars nur für die christlichen Minderheiten oder die Kranken im mehrheitlich christlichen Liberia? "Feed the World" wurde nur an einer Stelle durch das nicht minder anmaßende, aber etwas sinnvollere "Heal the World" ersetzt. Solche Details scheinen unwichtig, Hauptsache der Promiauftrieb stimmt. So reiste Geldof nach Berlin weiter, wo er am Montag mit über 25 deutschen Musikern – darunter Campino, Max Herre und Thees Uhlmann – noch eine „Do They Know It’s Christmas“-Version aufnahm. Schade, dass sie sich kein Beispiel an Adele genommen haben. Die britische Grammy-Gewinnerin ging einfach nicht ans Telefon, als Geldof anrief. Sie spendet lieber direkt bei Oxfam für die Ebola-Gebiete.

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