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Kultur: Böse Nazis, gute Jungs

Manche Themen kommen immer wieder. Zum Beispiel dieses: In einer verschlafenen amerikanischen Kleinstadt lebt, ungestört und unerkannt, ein böser, böser Nazideutscher.

Manche Themen kommen immer wieder. Zum Beispiel dieses: In einer verschlafenen amerikanischen Kleinstadt lebt, ungestört und unerkannt, ein böser, böser Nazideutscher. Führt das Leben eines spießigen Kleinbürgers, bis ein allzu neugieriger Junge ihm auf die Schliche kommt. Und entdeckt, daß, natürlich, ein Schurke immer ein Schurke bleibt und der böse Onkel sich im Innern nicht geändert hat - wofür er dann hart bestraft werden muß.

Amerikanische Variation eines Gesinnungsterrors, der Menschen nicht bessern, sondern umerziehen möchte: "Wenn du nicht an die Existenz des Bösen glaubst, hast du noch viel zu lernen", heißt das Motto. Wobei das Böse, wie immer in Hollywood, der Nazi-Deutsche ist. Was keine Aufforderung sein soll, die filmische Beschäftigung mit der Nazi-Vergangenheit einzustellen. Filme wie Steven Spielbergs "Schindlers Liste" oder, noch eindringlicher, sein Dokumentarfilm "The Last Days" erinnern und mahnen zu Recht. Bryan Singers "Musterschüler" dagegen, ein Mainstream-Film nach einer Stephen-King-Vorlage, ist Dutzendware - und führt gerade in seiner Durchschnittlichkeit in unerwartete Abgründe.

Daß der ältliche Nazischerge (Ian McKellen) zwischendrin gerne mal Katzen in den Gasherd steckt, in einer geliehenen SS-Uniform mit leuchtenden Augen zu marschieren beginnt oder am Ende einen Feldzug gegen Penner und anderes Ungeziefer führt, ist lachhaft nur und Holzhammer-Symbolik. Bedenklicher noch ist die Kehrseite, der blonde, strebsame Musterschüler (Brad Renfro). Wie dieser sich durch Erpressung das Vertrauen, nein, nur die Gesprächigkeit des Alten erkauft, wie er recherchiert und akribisch Buch führt über die Greuel, die er erfährt, bald deutlich seine Freude daran bekommt, den Greis marschieren zu lassen bis zur Erschöpfung und schließlich als Held aus der Sache hervorgeht, enthüllt eine so gewiß nicht beabsichtigte Botschaft des Films: Daß Außenseiter, seien sie gut oder böse, Freiwild sind für eifrige Jungs. In Amerika wie überall.

Hackesche Höfe, Kant, Rollberg

CHRISTINA TILMANN

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