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Die englische Filmproduzentin Rebecca Long lässt sich von Stefan Krumow, Lizenzhändler des Aufbau Verlags, einen Romanstoff beschreiben.

© Thilo Rückeis

Books @ Berlinale: Verkauf mir eine Geschichte!

Wie ein Roman ins Kino kommt: Der Co-Production Market der Berlinale bringt Verlage und Produzenten zusammen. Ein Ortstermin.

Nach intensivem, fünfminütigen Gespräch geht es plötzlich ganz schnell: Visitenkarten und letzte Artigkeiten werden ausgetauscht, man hört noch einmal Worte wie „Wow!“, „Wonderful!“ und „Really an amazing story“, dann geht die englische Filmproduzentin Rebecca Long ihrer Wege und Stefan Krumow, Lizenzverkäufer des Berliner Aufbau Verlags, ist wieder allein an seinem Tisch in einem Saal des Berliner Abgeordnetenhauses.

Nicht lange allerdings, und Krumow wird in das nächste Gespräch mit der nächsten Vertreterin der Filmbranche verwickelt. Der Stoff, den er bei dieser siebten Auflage der „Books @ Berlinale“ im Gepäck hat, ist begehrt. Die Attribute, mit denen Krumow die unzensierte Neuauflage des Bruno-Apitz-Romans „Nackt unter Wölfen“ zuvor bei einer kurzen Präsentation versehen hat, scheinen anzukommen. Er sprach da von einer „großen Geschichte“, die sich für kleines Geld realisieren lasse. Er verwies dezent darauf, dass der Roman in der Modern-Classics-Reihe des Verlags Nachfolger von Hans Falladas posthumen Welterfolg „Jeder stirbt für sich allein“ ist. Und natürlich fasste er den Inhalt zusammen, gab eine filmschaffendengerechte Kurzbeschreibung der „true story“ um eine Widerstandsgruppe im KZ Buchenwald, die ein kleines Kind versteckt. Es sei nicht leicht, gute Stoffe für Filmdramen zu finden, sagt Rebecca Long jetzt, nachdem sie sich von Krumow verabschiedet hat. Und was der da präsentiert habe, klinge „top-notch“: erstklassig, spitzenmäßig.

Was genau indes einen Roman zu einem lohnenden Filmstoff macht, das vermag auch hier, wo im Rahmen des Berlinale-Co-Production-Market in diesem Jahr zwölf Verlagsvertreter aus ganz Europa einer deutlichen Überzahl an Unterhändlern aus der Filmbranche neue oder neu aufgelegte Romanstoffe schmackhaft machen, niemand genau zu sagen. „Wir stellen uns eigentlich nur die eine Frage: Würden wir den Film sehen wollen?“ erklärt Projektleiterin Sonja Heinen die Auswahl aus insgesamt 81 Einsendungen. Was es bis hierhin geschafft hat, ist denn auch vielfältig: Neben Weltkriegsdramen gibt es finnische Nachbarschaftsstreits, Monster, die im Ruhrgebiet landen, und Kriminalgeschichten aus der israelischen Suburbia.

Worum es tatsächlich geht und wie sehr sich das vom Reden über Literatur etwa auf einer Buchmesse unterscheidet, erschließt sich aus der Präsentation: Bereits im opulenten Programmheft der Veranstaltung steht die Frage „Why should this book be made into a film?“ im Mittelpunkt. In den fünfminütigen moderierten Pitchinggesprächen im Plenum der Networking-Matinee geht es filmgerecht weiter: Stimmungsvolle Szenerien müssen beschworen, „lohnende“ Konflikte aufgezeigt, Filmbilder und -dialoge evoziert werden.

"Wir können uns gegenseitig beflügeln"

Wenn da etwa beschrieben wird, wie im Roman „Night Falls“ der Niederländerin Wanda Reisel in ein „kleines pittoreskes Dorf“ im Rahmen einer fremdenfeindlichen Hetzjagd plötzlich der „smell of blood“ Einzug hält, wird es still im Saal. Dass das Kind, dessen Schicksal Apitz’ „Nackt unter Wölfen“ inspirierte, heute ein israelischer Rentner und damit interviewbar ist, wird dem Publikum hier, wo Geschichten zur Ware werden, als „Special“ und „Highlight“ offeriert.

Allerdings: Wie begehrt diese Ware ist, lässt sich aus der Geschichte der „Books @ Berlinale“ so direkt noch nicht ableiten. Bisher sind nachweislich erst zwei Filme aus Gesprächen in diesem Forum hervorgegangen – die Bernhard-Schlink-Verfilmung „Das Wochenende“ sowie „38 Witnesses“, der vor wenigen Wochen das Rotterdamer Filmfestival eröffnete. „Man muss viel Geduld haben“, weiß Sonja Heinen. Bis aus einem ersten Gespräch eine erfolgreiche Koproduktion werde, vergingen Jahre. Aussagekräftiger ist da schon eher eine Reihe an Filmneuerscheinungen in diesem Jahr, die das Filmmagazin „Variety“ bereits dazu brachte, einen Trend unter deutschen Filmproduzenten zu beschwören. Daniel Kehlmann und Juli Zeh sind nur die prominentesten Autoren, „Die Vermessung der Welt“ und „Schilf“ nur die prominentesten Titel, die in nächster Zeit in die Kinos kommen werden. Sie scheinen zu bestätigen, was sich bei „Books @ Berlinale“ beobachten lässt: ein lebhaftes Interesse der Branchen aneinander, getragen von der Hoffnung, dass ein beliebter Buchstoff dem Kino, ein Kinoerfolg dem Buch nutzen könnte.

„Das kann sich gegenseitig beflügeln“, sagt auch Stefan Krumow, während sich der Saal langsam leert und die Vertreter beider Branchen, gespickt mit Visitenkarten, vorerst wieder eigene Wege gehen. Diese führen fast zwangsläufig an einer Reihe von Plakaten vorbei, die vor dem Abgeordnetenhaus in englischer Sprache für den Dörrie-Film „Glück“ werben. „Bliss“ steht da, und direkt darunter: „Based on the Bestselling Novel ,Crime’ by Ferdinand von Schirach“.

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