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Kultur: Bordell oder Idyll?

Die beiden Wissenschaftsperformer im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek trugen Partner-Look: Schwarzer Anzug, blaues Hemd, dunkle Krawatte.Doch der Schein trog.

Die beiden Wissenschaftsperformer im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek trugen Partner-Look: Schwarzer Anzug, blaues Hemd, dunkle Krawatte.Doch der Schein trog.Hans Belting, hochdekorierter Kunstwissenschaftler aus Karlsruhe, und Richard Wollheim teilten sonst wenig und trennten sich im Dissens.Belting aber sparte beim Vorstellen des vom Einstein-Forums und der Berliner Festspiele GmbH geladenen Referenten nicht an Komplimenten.Der Philosophieprofessor aus Kalifornien, sagte er, sei neben Arthur C.Danto der einflußreichste Kunsttheoretiker der Gegenwart.

Wollheims Vortrag "How Paintings Work?" erklärte die Stimmigkeit eines Bildes mit dem Begriff der Organisation.Der Maler wolle, daß der Betrachter seine "Organisationsleistung" anerkennt.Voraussetzung sei die das Identifizieren der Bildelemente die sich homogen oder heterogen organisieren.Seit der Renaissance, also seit Einführung der Zentralperspektive, kann man das Bild als Fenster lesen.Das Gemälde tritt gleichsam an Stelle des Glases.Nach Wollheim gibt es also ein "richtiges Sehen": Das Sehen, das der Maler wollte.Gerard Terborchs Bild der "Väterlichen Ermahnung" ist so ein Beispiel.Goethe hatte in dem Gemälde eine Art Familienidyll gesehen, obwohl es sich um eine Bordellszene handele.Es gebe richtige und falsche Interpretationen, erklärte Wollheim.Goethe lag offenbar falsch.Die besten Skizzen, erklärt Wollheim, seien jene Handbewegungen, die man vor einem Bild ausführe, um es anderen zu erklären.Eine schlüssige Antwort, wie die Organisation des Bildes funktioniert, blieb er indes schuldig.In der Diskussion waren Beltings Fragen - etwa nach dem Zusammenhang zwischen Organisation und Narration, zwischen Repräsentation und Realität - oft interessanter als Wollheims Antworten.

RONALD BERG

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