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Kultur: bots: "Sieben Tage lang" (1981)

Das Jahrhundert geht, aber etwas wird bleiben: seine Melodien. Unsere Autoren stellen exemplarische Songs vor - die großen Hits und die heimlichen Hymnen der Epoche.

Das Jahrhundert geht, aber etwas wird bleiben: seine Melodien. Unsere Autoren stellen exemplarische Songs vor - die großen Hits und die heimlichen Hymnen der Epoche.

Achtung! Texte und Gitarrenharmonien auf der Innentasche" - die Aufforderung auf dem Cover war unmissverständlich. Alle Gutmeinenden sollten zur Klampfe greifen und die Botschaft in die Zeltdörfer und an die Lagerfeuer tragen. A-moll, G-Dur, F-Dur, G-Dur, a-moll - wer diese Akkorde spielte, produzierte vielleicht etwas, das so ähnlich klang wie "Sieben Tage lang" von den bots. Der Text dazu geht etwa so: "Was wollen wir trinken, sieben Tage lang, was wollen wir trinken, so ein Durst. Es wird genug für alle sein, wir trinken zusammen, roll das Fass mal rein, wir trinken zusammen, nicht allein."

Reden wir nicht von Prince, Madonna und HipHop, nicht von The Clash, den Fehlfarben oder was sonst in den achtziger Jahren wichtig gewesen sein mag. Reden wir von jenem Stück Erbauungs-Lyrik, zu dem in der ersten Hälfte des Jahrzehnts alle Friedensbewegten und Atomkraftgegner eine flotte Birkenstock-Sohle aufs Parkett legten. Ungeachtet aller sonstigen musikalischen Entwicklungen wurde dieser Ringelpietz getanzt bei den Jugendabenden evangelischer Pfarrhäuser, bei Demonstrationen, Schulfesten und Teach-Ins.

Die bots kamen eigentlich aus Holland und waren auf der Bühne etwa so temperamentvoll wie ein Töpferkurs. Ihre Texte aber wurden von Hanns Dieter Hüsch, Wolf Biermann, Hannes Wader oder Günter Wallraff übersetzt, den Säulenheiligen sich damals irgendwie links dünkender Menschen. Und wer zählte damals schon nicht dazu - mit Ausnahme vielleicht von Gerhard Löwenthal und Franz-Josef Strauß?

"Sieben Tage lang" mit seinem an Bänkelsang gemahnenden Flötenmotiv war schlicht wie ein Grünkernbratling - und lag Menschen mit musikalischem Feinsinn entsprechend schwer im Magen. Der einfache Appell zur Soldarität, der an ländliche Lebensweisen erinnernde Text, der folkloristische Anstrich im Arrangement plus Hippie-Bonus für Holländer - das alles ergab eine todsichere Kombination alternativer Schlüsselreize und führte dazu, dass die bots in beinahe jeder Matratzengruft auf dem Plattenteller lagen. Sie standen im Ruf, in den vordersten Gräben mit zu fighten. Gegen Unkostenbeitrag gab es sogar Playback-Kassetten ihrer Lieder für den Schulunterricht.

Doch die Lieblingsband aller Deutsch- und Religionslehrer machte einen Fehler: Sie unterschrieb bei EMI Electrola. Der angeschlagene Unterhaltungskonzern war 1979 mit dem Rüstungskonzern Thorn fusioniert worden. Thorn Emi machte damals gut die Hälfte seines Gewinns von knapp 900 Millionen Pfund mit so aparten Produkten wie Radarsystemen und Raketensteuerungen.

Ausgerechnet im Kölner Werk der EMI wurde der Sound-Track der Friedensbewegung gepresst. Der Rüstungskonzern hatte damit kein Problem. Er unterstützte ganz angstfrei auch Bürger-Initiativen gegen die Frankfurter Startbahn West. Nur als die bots eine Goldene Schallplatte für ihr Nachfolge-Album "Entrüstung" entgegennahmen, unterlief dem verleihenden EMI-Bereichsleiter Zentraleuropa ein Versprecher. Er nannte das Album "Aufrüstung". Was von der Wahrheit weniger weit entfernt war, als die meisten bots-Fans durch ihre zu kleinen Nickelbrillen erkennen konnten. Vielleicht waren sie auch zu sehr mit ihren Stricknadeln beschäftigt. Männer strickten damals nämlich in aller Öffentlichkeit.

Das Cover der Platte ist ein Klassiker alternativen Kitsch-Schaffens und bringt die Verlogenheit der ganzen Sache auf den Punkt: Ein Kampfpanzer Gepard, der statt der beiden seitlichen Rohre am Turm zwei E-Gitarren trägt, die Ketten sind aus Klaviertasten. Zu Recht sind die fünf sackartigen Flamen heute aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht. Mögen sie irgendwo in Frieden ihre Energiebällchen rollen. Die "Sieben Tage" aber gehen weiter - mittlerweile als reines Sauflied und befreit von allen politischen Implikationen.

Letzten Sommer erlebte ich den ersten Tag der deutschen Schulferien auf Mallorca. Jenes Datum, an dem sich eine idyllische Insel in ein Katastrophengebiet verwandelt. Am Strand lag, frisch aus dem Flieger gefallen, eine Gruppe Teutonen, jung und männlich, mit roten Köpfen und stark vermindertem Koordinationsvermögen. Aus ihrem Kassettenrecorder plärrte in Endlos-Schleife "Sieben Tage lang". Womit sie kund taten, wie sie die nächste Woche verbringen wollten. Vielleicht sind solche Erscheinungen der Grund dafür, dass der Internet-CD-Vertrieb "CD Now" die bots heute unter "World Music - Germany" führt.

Die Geschäftsbereiche von Thorn und EMI wurden 1996 wieder getrennt. Die Aktionäre des Unterhaltungskonzerns stimmten mit großer Mehrheit dafür. Trotzdem verfolgt die EMI einen aggressiven Kurs und verleibte sich unter anderem die Konkurrenten Chrysalis, Intercord und Virgin ein. Wer will schon abseits stehen beim großen Konzentrations-Monopoly der Unterhaltungs-Branche?

Auch der bots-Manager und -Texter und Mitmusikant Dieter Dehm war und ist überaus wandlungsfähig. Ursprünglich aus der Frankfurter Sponti-Szene kommend, schrieb er unter anderem "Tausend Mal berührt" für Klaus Lage und die Parteihymne der SPD. 1996 wurde bekannt, dass Dehm, der lange Zeit auch für Wolf Biermann tätig war, in den siebziger Jahren einen Neben-Job als "IM Willy" angenommen hatte.Heute ist Dehm stellvertrender Vorsitzender der PDS. Peace, ey.

Morgen die 90er Jahre "Cantaloop" von US 3 (1992).

Ralph Geisenhanslüke

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