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Nachwuchstalent. Dirigent Thomas Guggeis bei einer Probe.

© Henning Kaiser/dpa

Boulez Ensemble: Im Finsterwald

Das Boulez Ensemble spielt Hindemith und Haddad.

Gongs, Marimba, Röhrenglocken, eine Harfe, ein Kontrabass, ein Cello, die Tuba, hier ist jeder für sich allein. Versprengte Stimmen auf abgrundtiefen Liegetönen, verlorene Gestalten auf unbekanntem Gelände: Der Komponist von „Sombre“, Saed Haddad, nennt sein im Pierre Boulez Saal uraufgeführtes Werk für 13 Musiker ein Requiem ohne Worte.

Man wähnt sich im finsteren Wald, die große Trommel grollt leise, Verzagtheit macht sich breit, Anwandlungen von Mut ersterben schnell wieder, Melodiesplitter säumen den Weg. Saed Haddad, der zunächst Priester werden wollte, stammt aus Jordanien, studierte in Israel und England.

Er lebt heute in Deutschland und bewegt sich mit diesem Auftragswerk der Daniel Barenboim Stiftung zwischen den (nah-)östlichen und westlichen Klangwelten. Ein Nachtstück, das den realen Horror der Verlorenheit ebenso evoziert, wie es in mystische Sphären vordringt.

Das Boulez Ensemble, das aus Studierenden und Lehrenden der Barenboim Said Akademie, Mitgliedern der Staatskapelle und des West Eastern Divan Orchestra besteht, hat sich auf solche Grenzerkundungen spezialisiert.

In seinen Konzerten paart es gern Uraufführungen mit Repertoire, wobei die Gegenüberstellung von Haddads zunehmend von der Stille verschluckter Musik mit Werken von Hindemith und Strawinsky mehr einleuchtet als Bachs Erstes Brandenburgisches Konzert zum Auftakt des Abends.

Luzide Störmanöver

Sportlich beschwingt steigen die jungen, vom designierten Lindenoper-Staatskapellmeister Thomas Guggeis höchst verlässlich geleiteten Musiker ein.

Aber auch wenn Hindemiths verwegene Kammermusik Nr. 1 und Strawinskys Concerto in Es „Dumbarton Oaks“ auf Bachs barocke Kontrapunktik zurückgreifen, sind es doch eher deren spröde Zerrklänge und mal groteske, mal luzide Störmanöver, die einen Bezug zur „Sombre“-Uraufführung herstellen.

Am meisten überzeugt Hindemith. Die furiosen Verwirbelungen des 15-Minuten-Stücks, die flirrend-schrille Motorik samt der aparten Klangfarbmischung von Akkordeon, Fagott und Trompete sowie diverser Krachmacher wie der jaulenden Sirene am Schluss – all das fügt sich als Großstadtdschungelbild der zwanziger Jahre kongenial zum Finsterwald Saed Haddads.

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