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Kultur: Brandenburgische Sommerkonzerte: Greif zu bei Bach - Bernd Glemser in Bad Freienwalde

Wie stark beeinflusst die architektonische Gestaltung eines Saales die Konzentration der Zuhörer? "Ornament ist Verbrechen", sagen Puristen, denn in stucküberladenen Hallen ist die Verlockung groß, Putten, Blustradenschmuck und goldenes Zierwerk zu examinieren, statt der Musik zu lauschen.

Wie stark beeinflusst die architektonische Gestaltung eines Saales die Konzentration der Zuhörer? "Ornament ist Verbrechen", sagen Puristen, denn in stucküberladenen Hallen ist die Verlockung groß, Putten, Blustradenschmuck und goldenes Zierwerk zu examinieren, statt der Musik zu lauschen. Manchmal ergeben sich aber auch Wechselwirkungen zwischen Raum und Klang: Bei Bernd Glemsers Auftritt in der Nikolai-Kirche von Bad Freienwalde prallte Gotik auf Neogotik: Im strenen Backsteinbau unterm Kreuzrippengewölbe spielte er Bach-Bearbeitungen der Spätromantik, jene merkwürdigen Produkte komponierender Bach-Verehrer, die sich beim Thomas-Kantor bedienten, um ihre Fantasie zu beflügeln. Das führt zu einer Art umgekehrtem Historismus: Während die Baumeister moderne Stahlskelettbauten historisch verkleiden, nutzen Liszt oder Busoni Bach als Baugerüst, das sie mit "zeitgemäßen" Tönen ummanteln.

In Busonis Paraphrase über Bachs d-Moll-Chaconne und zwei Choralvorspiele zeigte Glemser, wie das Original vom Passagenwerk des Virtuosentums überwuchert wird, bis das Klavier wuchtige Orgelklänge imitiert. Mächtig Theaterdonner entfachte der Pianist auch in Liszt B-A-C-H- Fantasie: Dabei setzte er auf rhythmische Kontur und abwechslungsreiche Dynamik - eine Tiefenwirkung aber entfalten die Werke so nicht. Dass Bach auch helfen kann, eigene Gefühle zu artikulieren, verdeutlichte Glemser mit Liszts Meditation über die Kantate "Weinen, Klagen", die Glemser mit Innigkeit nachempfand. Weniger Zugang fand er zu den einzigen Originalkompositionen des Konzerts, zwei Präludien und Fugen aus Schostakowitschs Antwort auf das "Wohltemperierte Klavier": Sehr zaghaft wirkte die Nr. 14, die bittere Ironie der Nr. 15 blieb unter dem mechanischen Zugriff verborgen.

Nach Spieluhrenart spulte er auch Rachmaninows Potpourri aus der E-Dur Partita ab. Am Ende war klar, dass all diese Werke mehr mit dem traditionellen Kuchen-Buffett der Sommerkonzerte gemein haben als mit Bach: zu viele Kalorien, zu wenig Nährwert.

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