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Kultur: Braunes Gold

über Berlins erfolgreichste Toilettenschüssel Letzten Endes ist die Komische Oper vermutlich durch ein überlaufendes Klo gerettet worden. Denn eigentlich war damals, vor anderthalb Jahren, das Haus schon fast abgeschrieben: Nach einer verpatzten ersten Saison unter Andreas Homoki sah es eine Zeit lang danach aus, als würde der Senat die Komische Oper dichtmachen.

über Berlins erfolgreichste Toilettenschüssel Letzten Endes ist die Komische Oper vermutlich durch ein überlaufendes Klo gerettet worden. Denn eigentlich war damals, vor anderthalb Jahren, das Haus schon fast abgeschrieben: Nach einer verpatzten ersten Saison unter Andreas Homoki sah es eine Zeit lang danach aus, als würde der Senat die Komische Oper dichtmachen. Doch dann kam das Klo und mit ihm die Wende: Barrie Koskys Inszenierung von György Ligetis Le Grand Macabre brachte die bislang nur auf dem Papier vorhandene Profilierung als modernes Regietheaterforum so lebensstrotzend auf die Bühne, dass die notorisch Moderne-skeptischen Berliner nicht nur alle Scheu vor zeitgenössischer Musik überwanden und die Vorstellungen bis auf den letzten Platz füllten.

Kosky brachte es sogar fertig, dass die Berliner über die dicke braune Brühe, die dort unablässig aus einer Toilette quillt, in hellste Begeisterung gerieten. Dass sich anschließend die Opernhäuser um einen Regisseur balgten, der offenbar nicht nur Scheiße, sondern auch zeitgenössische Musik zu Gold machen konnte, leuchtet ein: Der Australier wird nicht nur „Lohengrin“ in Wien inszenieren, für seine zweite Produktion an der Komischen Oper, Mozarts „Figaro“, machte sich sogar Wolfgang Wagner nach Berlin auf, um den Wunderknaben zu begutachten. Vom „Macabre“ an ging es nicht nur mit Kosky, sondern auch mit der Komischen Oper bergauf – nur dass der Auslöser dieser Wende schon fast wieder vergessen ist.

Gut deshalb, dass die Komische Oper den „Macabre“ jetzt noch einmal für vier Vorstellungen angesetzt hat, übrigens mit der originalen, durchweg überzeugenden und spielstarken Premierenbesetzung. Auch weil Ligetis Operngroteske um einen angekündigten Weltuntergang tatsächlich eines der wichtigsten Bühnenwerke der letzten fünfzig Jahre ist: ein grandioses hochtouriges Spektakel, das hemmungslos die verschiedensten Stilrichtungen durchnudelt, in dem aber auch Platz ist für beklemmende, schwarze Klanginseln, in denen die Figuren plötzlich ohne Halt vor den Abgründen ihrer Existenz stehen. Am kommenden Sonnabend sowie am 8. und 14. März ist noch einmal Gelegenheit, das Meisterwerk zu hören. Und – nicht nur – ein überlaufendes Klo zu bejubeln.

Jörg Königsdorf

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