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Kultur: Brav bleiben

Schweizer Klassik-Doku: „Zum Abschied Mozart“

„Eigene Kinder möchte ich auf gar keinen Fall. Was, wenn mein Kind nachher so ein Kapitalist wird? Ich kann es ja dann nicht hassen.“ Wanja ist Kommunistin. In ihrem bürgerlichen Elternhaus in Wetzikon sitzt die Pubertierende und leidet an der Klassengesellschaft. Mit anderen „Bonzen“-Kindern muss sie die Rudolf-Steiner-Schule im Zürcher Oberland besuchen. Sie singt im Schulchor, würde aber viel lieber Revolution machen. Wer sich für Wanjas naive Weltsicht interessiert, braucht allerdings Untertitel. Sie spricht heftiges Schwyzerdütsch.

Seit dem Erfolg von „Rhythm is it“ über das Education-Programm der Berliner Philharmoniker gilt musische Jugendarbeit als sexy. Mit „Zum Abschied Mozart“ versucht sich Christian Labhart nun an einer Schweizer Version: Für seine Doku hat der Regisseur den Oberstufenchor einer Steiner-Schule bei der Erarbeitung des Mozart-„Requiems“ beobachtet und wechselt dabei vorhersehbar zwischen Interviews, Proben und Landschaftsaufnahmen. Das ist kulturpolitisch ebenso korrekt wie schrecklich langweilig. Weil es sich hier – anders als bei „Rhythm is it“ – um eine durch und durch bildungsbürgerliche Veranstaltung handelt. Zur eigenen Kreativität muss hier keiner ermuntert werden. Genau das aber macht die Faszination von „Rhythm is it“ aus: Bei dem Berliner Projekt mit dem Choreografen Royston Maldoom und Simon Rattle sieht man, wie die Kids anfangen, sich selber etwas zuzutrauen. Labharts netter Musiklehrer Thomas Gmelin ist nur ein dröger Moralapostel.

Das größte Problem: die Diskrepanz zwischen der Macht der Musik und den kunstlos abgefilmten Singschulsequenzen. Bei „Rhythm is it“ brodelt ständig Energie, in den Berlin-Aufnahmen wie in den genialisch geschnittenen Probenpassagen. Bei Labhart geht es um ein Schulkonzert. Mehr nicht.

Broadway, FT Friedrichshain

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