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Kultur: Brave Männer, tapfere Frauen

Halbzeit des Festivals: fünf Trends und eine Bitte

Trend Nummer 1: Filme über Geheimbünde und andere Orden. Die CIA in „The Good Shepherd“, das Kloster im italienischen Wettbewerbsbeitrag „In Memoria di Me“, die muslimischen Glaubensbrüder im Panorama-Film „Takva“, außerdem das Lagerpersonal und die Armee-Einheiten in den diversen Kriegsfilmen. Ständig sieht man Männer, die unter sich bleiben, seltsame Rituale zelebrieren und damit nicht gerade glücklich werden.

Trend Nummer 2: Sexy Frauen, die nicht sexy sein dürfen. Den Trend hat der Eröffnungsfilm „La vie en rose“ mit Edith Piaf weniger als Glamourgirl denn als Göre oder siechende Greisin vorgegeben. Seitdem mussten Sharon Stone, Angelina Jolie und Diane Kruger als meist frustrierte Hausfrauen ihre Schönheit verbergen (siehe Artikel unten). In André Techinés „Les témoins“ sitzt Emmanuelle Béart mit Brille und Schlabberpulli an der Schreibmaschine, während im Hintergrund das Baby schreit. Das passt zu den gestressten Müttern in den Nebenreihen des Festivals. Selbst die Schönheit der Chinesin Yu Nan war zwar auf dem roten Teppich zu bewundern, blieb im Wettbewerbsfilm „Tuyas Ehe“ aber unter Kopftüchern und dicken Steppjacken verborgen. Das Verstecken weiblicher Reize scheint ein globaler Trend zu sein.

Trend Nummer 3: Deutsche Schauspieler in ausländischen Filmen. Noch eine Folge der Globalisierung. Und sie sind alle so polyglott. André Hennicke spricht Italienisch in „In Memoria di Me“, Moritz Bleibtreu tritt, bei den Tavianis und Paul Schrader, gleich zweimal als Türke auf, Daniel Brühl spricht Französisch unter der Regie von Julie Dely, Marie Bäumer parliert Englisch im kroatisch-bosnischdeutschen Forumsfilm „Armin“, und Martina Gedeck darf in „The Good Shepherd“ mit Matt Damon auf Deutsch und Amerikanisch flirten. Dass deren Liaison sich im Berlin der vierziger Jahre entspinnt, passt zu:

Trend Nummer 4: Der Zweite Weltkrieg, insbesondere das Kriegsendejahr 1945. Clint Eastwoods „Letters from Iwo Jima“, Steven Soderberghs „The Good German“, Jiri Menzels „Ich habe den englischen König bedient“, Stefan Ruzowitzkys „Die Fälscher“: lauter Weltkriegsfilme. Dabei war gerade „Cinema for Peace“-Tag. Was auf den zweiten Blick kein Gegensatz ist, leiden die Regisseure des anderen Amerika – trotz der vielbeschworenen Hollywood-Krise sind die USA ja immer noch Kino-Trendsetter – doch unter dem Irakkriegskomplex. Schlechtes Gewissen? Jedenfalls wird derzeit besonders aufmerksam auf frühere Kriege geguckt. Vielleicht funktioniert das ja wie Voodoo und im Irak ist bald Schluss, wenn das Kriegsende nur oft genug auf der Leinwand beschworen wird.

Trend Nummer 5: Der Gutmensch. Die jüdische Familie im brasilianischen Militärdiktatur-Drama „Das Jahr, als meine Eltern in Urlaub waren“. Nelson Mandelas Gefängniswärter in „Goodbye Bafana“. George Clooneys kreuzbraver Presseoffizier in „The Good German“. Und August Diehl als Idealist in „Die Fälscher“: lauter good guys in den zahlreichen gediegenen Weltverbesserungsfilmen dieses Berlinale-Jahrgangs. Aber schon Karl Marcovics’ weniger idealistischer Oberfälscher und erst recht Matt Damon als CIA-Zombie lassen sie alle blass aussehen. Kein neuer Trend, eher eine alte Wahrheit: Bad guys sind die besseren Kinohelden. Noch ein Grund, warum „The Good Shepherd“ aus dem Wettbewerbsprogramm bisher als einsamer Favorit herausragt.

Bitte zum Schluss: mehr jodelnde Koreaner! Viele Komödien laufen ja ohnehin nie auf Filmfestivals. Aber dieses Jahr wirkt das Programm besonders humorfrei, vor allem die Filme aus der westlichen Welt. Okay, okay, wir leben in ernsten Zeiten. Aber wo bleibt die Lebensfreude der jungen Generation? Einer wie Pedro Almodóvar hat zu Beginn seiner Karriere doch auch knallig-schräge Filme über superseriöse Themen gedreht. Im Moment können das anscheinend nur die Asiaten. Die durchgeknallten Bilder, mit denen Park Chan-wook in „Ich bin ein Cyborg, aber das ist okay“ schlimme Krankheiten wie Schizophrenie und Magersucht in Szene setzt, beweisen jedenfalls, dass man im Kino seinen Spaß haben kann, ohne sich über die Probleme der Menschheit billig zu amüsieren. Also bitte, für die zweite Festivalhälfte: mehr Spieltrieb, mehr koreanischer Witz!

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