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Wurde wegen Jonathan Safran Foers Buch "Tiere essen" von der Vegetarierin zur Veganerin. Die für ihre Rolle in "Black Swan mit einem Oscar ausgezeichnete Natalie Portman an Tag zwölf des diesjährigen Damentennisturniers im Centre Court von Wimbledon.

© imago/i Images

Brieffreundschaften: Ich und du, wir alle schauen zu

Die ersten zehn Jahre ihrer privaten Mailkorrespondenz verschluckte das Netz. Für "T", das Style Magazine der "New York Times", haben Jonathan Safran Foer und Natalie Portman ihre Brieffreundschaft wieder aufgenommen.

Von Gregor Dotzauer

Fünfzehn Jahre Freundschaft. Hunderte, vielleicht Tausende von Mails, die sie über mehr als ein Dezennium miteinander wechselten. Ein Bewusstseinsstrom, in dem Familienangelegenheiten, Fragen der Kreativität und zornige Koalas zur Sprache kamen. Ein Paralleluniversum mitten in dieser Welt. Der Romancier Jonathan Safran Foer und die Schauspielerin Natalie Portman bewohnten es, bis es über Nacht explodierte und nur noch in beider Erinnerung vorhanden war: Foers Hotmail-Account hatte sämtliche Dateien verschluckt.

So lautet zumindest die Geschichte, die „T“, das „New York Times Style Magazine“ in seiner Ausgabe vom 17. Juli erzählt, und zwar in Form einer von Neuem aufgenommenen Korrespondenz. Es geht um Meerschweinchen, Jüdisches, Kindererziehungsrituale und Müllabholungstage, vor allem aber um Portmans Regiedebüt, die Adaption des Amos-Oz-Romans „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“.

Die Intimität vor Publikum ist ein werberischer Hattrick im Dienst des US-Kinostarts, von Jonathan Safran Foers für September angekündigtem Roman „Here I Am“, der im November bei Kiepenheuer & Witsch auch auf Deutsch erscheint, und der Modefirma, bei der Portman unter Vertrag ist. Als Covergirl lehnt Miss Dior im gestreiften Badeanzug und mit übergeworfenem Sweater so lasziv an einer Wand, dass sich als Mann hoher Tugendhaftigkeit rühmen darf, wer nicht sofort mit dem Gedanken spielt, seine Frau zu verlassen, die Großmutter zu verkaufen und sein Konto zu plündern (Pullover 1100 Dollar, Lidschatten 62). Und dann ist diese Frau, eine diplomierte Harvard-Psychologin, die 2015 als Alumna sogar die Commencement Speech hielt, auch noch intelligent! Safran Foer, eher der Baumwollhemdenpragmatiker, hat allen Grund, in der Bilderstrecke gar nicht erst aufzutauchen.

Weltberühmt seit seinem Debüt "Alles ist erleuchtet". Jonathan Safran Foer.
Weltberühmt seit seinem Debüt "Alles ist erleuchtet". Jonathan Safran Foer.

© David Shankbone/Wikipedia

Die wahren Reize der Inszenierung liegen indes weder in Natalie Portmans äußerlicher Makellosigkeit oder in den durchaus unterhaltsamen Mails selbst, sondern dass man in ihnen ständig jene anderen, verschollenen mitlesen zu können glaubt, die beide ursprünglich aneinanderbanden. Kopfkino, das dadurch intensiviert wird, dass Safran Foer am Ende gesteht, dass sich seine allererste Mail von 2002 gegen jede Erwartung nun doch wieder eingefunden habe. Die Briefe scheinen ein Geheimnis zu bergen, das sich ihnen auch beim besten interpretatorischen Willen nicht entreißen lässt. Weshalb sich binnen weniger Tage eine beispiellose Kommentarwut entwickelte, die das Verhältnis der beiden in seiner ganzen Tiefe ausleuchten wollte.

In den Celebrity Blogs wurde das Gerücht aufgewärmt, dass die Traumehe von Jonathan Safran Foer und der Schriftstellerin Nicole Krauss vor zwei Jahren an Portman zerbrochen sei, mit dem bitteren Ergebnis, dass er die eine verlor, die andere jedoch keineswegs gewann: Sie blieb bei ihrem Mann, dem Choreografen Benjamin Millepied und Sohn Aleph in ihrer Wahlheimat Paris. Auf „Forward“, einer Netzplattform amerikanischer Juden, erweitert der texanische Satiriker Neal Pollack die Korrespondenz zu einem schreiend komischen, imaginären Dreiecksaustausch, der das Pseudophilosophische mancher Formulierung auf die Schippe nimmt.

Der Spott reicht bis zur „Times of Israel“ nach Jerusalem, Portmans Geburtsstadt. Und im Blog des Brooklyner Melville House (mhpbooks.com) weist der Dichter Ian Dreiblatt, Übersetzer der Gefängnisbriefe von Pussy-Riot-Mitglied Nadezhda Tolokonnikova an Slavoj Žižek, darauf hin, dass es für Brieffreundschaften zwischen Hollywood-Stars und Schriftstellern Vorbilder wie den Komiker Groucho Marx und den Dichter T. S. Eliot gebe. Wobei der oberste Marx Brother von jeher ein Büchernarr war, der seinen Mangel an Schulbildung vielfältig zu kompensieren versuchte. Lee Siegel hat die Konstellation kürzlich in „Groucho Marx – The Comedy of Existence“ (Yale University Press) untersucht. Briefe, lernt man jedenfalls bei Safran Foer und Portman, können eine Nähe erzeugen, der ein leibhaftiges Miteinander nicht unbedingt standhält. Man sollte daraus nur nicht schließen, dass ihnen keine eigene Wirklichkeit zukäme.

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