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Bald Pendler. Simon Rattle arbeitet zukünftig in München. 

© Kai Pfaffenbach/Reuters

Brite Simon Rattle will auch Deutscher werden: Er bleibt ein Berliner

In Simon Rattle will sich einbürgern lassen, erzählt er in einem Gespräch zum neuen Posten als Leiter des BR-Symphonieorchesters.

Als er Chefdirigent der Berliner Philharmoniker wurde, im Herbst 2002, ist Simon Rattle aus der britischen in die deutsche Hauptstadt gezogen. Und hier ist er mit seiner Frau Magdalena Kožená und den gemeinsamen Kindern dann auch wohnen geblieben, als er vor dreieinhalb Jahren das Amt als "music director" des London Symphony Orchestra antrat.

„Berlin is home“, bekräftigte der Sir jetzt bei einem Online-Pressegespräch, in dem es eigentlich um seinen nächsten Job ging, nämlich den als Leiter des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks ab der Spielzeit 2023/24.

Nach München fährt er mit dem Zug

Ob er dann mit Sack und Pack nach München kommen werde, wollten die Medienvertreter von der Isar wissen. Nein, so sorry, das will er nicht. Weil er sich in Berlin einfach wohlfühlt.

Zum Trost erzählt er, auf seine unübertroffen charmante Art, von einem befreundeten Musiker, der ihm als Fotokopie den Auszug aus dem Fahrplan der Deutschen Bahn geschickt habe, aus dem ersichtlich ist, dass man mit der schnellsten Verbindung lediglich vier Stunden nach München braucht. Weshalb sich ein Umzug erübrige.

Überhaupt, sagte Rattle, sei ihm in den vergangenen Monaten klar geworden, dass er künftig viel mehr Zeit mit seiner Familie verbringen wolle. Nachdem er gesehen hat, wie sehr seine drei Kinder in den Lockdown-Wochen die Anwesenheit ihrer Eltern genossen haben.

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Vor Corona waren sie es gewohnt, dass beide ständig zwischen ihren diversen internationalen Verpflichtungen hin und her jetteten. Vielleicht sollten wir alle künftig „more local“ bleiben, fügte er nachdenklich hinzu.

Um den Brexit geht es nicht

Der Brexit ist also nicht der Grund, weshalb er seinen Fünfjahresvertrag in London auslaufen lassen wird. Als bald 70-Jähriger könne er einfach das Arbeitspensum nicht mehr erbringen, das in einem Niedrigsubventionsland wie Großbritannien von einem Chefdirigenten zwingend verlangt wird, lautet seine Erklärung.

Weil der sich dort eben nicht nur um künstlerische Belange, sondern auch um die Geldbeschaffung kümmern muss. Im Klassik-Paradies Deutschland sieht das ganz anders aus. Da reicht es, einfach nur gute Musik zu machen.

Doppelpass, das wär's

Mit dem BR-Orchester, das ihm lieb und teuer ist, in München arbeiten, im viel günstigeren Berlin wohnen, das ist also Rattles Perspektive. Und darum hat er jetzt auch den Antrag auf Einbürgerung in Deutschland gestellt.

Sir Simon will Doppelpass-Besitzer werden – und hofft nun darauf, dass die Behörden keinen Wind davon bekommen, dass er selbst nach fast 20 Jahren in der Bundesrepublik immer noch nicht in der Lage ist, eine Pressekonferenz auf Deutsch abzuhalten.

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