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Bruce Nauman: "Wie ein Schlag ins Genick"

Manche Kunstliebhaber tun sich schwer mit Nauman, dem Pionier der Video- und Performancekunst. Er wird am 6. Dezember 65 Jahre alt und gilt in Deutschland schon lange als einer der weltweit führenden zeitgenössischen Künstler.

New York - Der Amerikaner Nauman mag Kunst am liebsten so, dass sie "wie ein Schlag ins Genick trifft", wie er der Wochenzeitschrift "Die Zeit" einmal verriet. So lässt er in dem Video "Bouncing Balls" (1969) etwa eine Stunde lang seine Hoden auf dem Boden tanzen. In einem anderen Video, "Violent Incident" (1982), bringen sich ein Mann und eine Frau nach heftigem Wortstreit gegenseitig um. Wachsplastiken gehäuteter Tierkadaver stellt der Amerikaner zu schwebenden Arrangements zusammen.

Der in Hamburg veröffentlichte "Capital Kunst Compass" listete Nauman im Oktober auf Platz zwei, hinter Gerhard Richter und vor Sigmar Polke. "Capital" ermittelt sein Barometer jährlich auf der Grundlage von internationalen Ausstellungen und Rezensionen. Spitzenleute wie Nauman empfiehlt das Magazin Geldanlegern als "Künstler mit den besten Marktchancen".

"Mental Exercises" in Düsseldorf

Die Ausstellung "Mental Exercises" mit Installationen, Videos und Filmen Naumans ist derzeit in Düsseldorf zu sehen. Die nordrheinwestfälische Landeshauptstadt machte den öffentlichkeitsscheuen Amerikaner im März auch zu ihrem ersten Kulturpreisträger.

Seine Kunst empfinden manche nicht nur als provokativ oder schwer verdaulich, sondern zum Teil auch als abstoßend. Der studierte Mathematiker und Physiker, der auf einer Pferdefarm in den Bergen von Arizona lebt, scheut kein Tabu, um beim Betrachter ins Bewusstsein zu dringen. Etliche von Naumans Arbeiten erwecken Grauen, andere provozieren bis zur Groteske. Die "Süddeutsche Zeitung" nannte den US-Künstler, der 1968 bei der documenta 4 erstmals in Deutschland auf sich aufmerksam machte, den "Meister des Albtraums und der Ekstase". "Die Zeit" fand Naumans Pessimismus "unheilbar".

Souveräne Herrschaft über die ganze Stilpalette

Unbestritten ist, dass er die ganze Stilpalette vom kargen Minimalismus bis zur intellektuell-kalkulierenden Konzeptkunst souverän beherrscht. In den experimentierfreudigen 60er Jahren herangewachsen, nutzt Nauman Fiberglas, Gipsverbände, motorisierte Mobiles und Performance als Ausdrucksmittel, meist um Übelstände in Gesellschaft und Natur anzuprangern.

Die Bestialität des Menschen gegenüber der Kreatur etwa prangert er an mit seiner Installation "Karussell", die geschundene Tiere (im Metallguss) rotieren lässt. "Clown Torture" (1987) ist eine Serie von Videos, in denen ein Clown erbarmungslos beschimpft und erniedrigt wird. Politisch inspirierte Arbeiten wie "South America Triangle" (1981) spielen auf Gewalt und Folter an.

"Korridore", "Käfige" und "Tunnels"

Wahrnehmung - die körperliche und emotionale Wahrnehmung des Betrachters im Bezug zum Kunstobjekt - ist das Thema von Naumans begehbaren Installationen: "Korridore", "Käfige" und "Tunnels". In deren engen, klaustrophobischen Gängen konfrontiert Nauman den Betrachter mit Überwachungskameras, Spiegeln und Monitoren, die Videos mit derben Witzen zeigen. Damit schafft Nauman es, physisch und intellektuell irritierende Situationen zu erzeugen und den Kunst- "Genießer" mit seiner eigenen Reizgrenze zu konfrontieren.

1990 wurde Nauman mit dem Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet. 1993 erhielt er den Wolf-Preis und im Jahr darauf auch den Wexner-Preis. Die Biennale von Venedig widmete ihm 1999 den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk. Tate Modern in London zeigte 2004/2005 eine für die Turbinenhalle des Museums erstellte Groß- Installation. (Von Gisela Ostwald, dpa)

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