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Kultur: Brücken in der Nacht

Eine Kunstaktion überquert die Spree

Eine Brücke verbindet, und wo sie fehlt, ist klarerweise eine Trennung. Was aber, wenn sich ein Mensch auf eine Seite des Flusses stellt, ein anderer auf die andere, und beide zueinander herüberschauen? Überwiegt dann das Trennende? Oder besteht zwischen ihnen, und sei es auf gedanklicher Ebene, nicht doch eine Verbindung?

Überlegungen wie diese waren es, die den Documenta-Künstler Olaf Nicolai dazu verleiteten, an der Grenze zwischen Köpenick und Treptow im Südosten Berlins das Unternehmen „Dromio“ zu starten. In Zeitungsanzeigen standen zwei Adressen diesseits und jenseits der Spree, ein Datum und eine Uhrzeit. Wer wollte, konnte durch pünktliches Erscheinen Teil einer Aktion werden, die im Rahmen eines eher ausgefallenen Projekts von Kunst im öffentlichen Raum startete. „Con_Con“ steht für constructed connections und hatte zur Bedingung, dass die Kunst irgendetwas mit Brücken zu tun haben sollte. Um die Anzahl der 979 in Frage kommenden Bauwerke ein wenig zu beschränken und die Laufkundschaft einzubeziehen, konzentrierten sich die Organisatoren schließlich auf eher innerstädtische Gegenden. Dort gingen weitere drei Teams aus Künstlern und Architekten ins Rennen: Susanne Lorenz und AMP Architectos aus Barcelona installierten an der Arena in Treptow in der Spree ein so genanntes Badeschiff, das eine alte Tradition aufgreift und die nächsten fünf Jahre während der eventuell anfallenden Badesaison fürs Publikum permanent geöffnet sein soll (in diesem Jahr bis 10.10.).

Die zwei restlichen öffentlichen Kunstwerke sind auf der Museumsinsel zu sehen – und das vor allem bei Nacht. Der Künstler Micha Kuball hat zusammen mit den Architekten Riken Yamamoto und Beda Faessler an der Friedrichsbrücke nahe dem Hackeschen Markt die „Lichtbrücke“ gebaut. Über ein kompliziertes System von Lichtquellen und optischen Gläsern wird die Illusion einer sanft bewegten Wasseroberfläche auf der Brücke geweckt. Die eindrucksvollste Arbeit, „Fata Morgana“ von Manu Kumar und Tom Heneghan, wurde an der Unterseite der Eisernen Brücke zwischen Altem Museum und dem Zeughaus angebracht (bis 10. Oktober).

Man muss sich übers Geländer beugen, um den Effekt in voller Schönheit wahrzunehmen. Die Gymnastik lohnt sich: Kumar und Heneghan lassen den Brückenbogen von der Wasserseite her hell erstrahlen – mit Bildern, die eigentlich aus der entgegengesetzten Richtung kommen. Was da so intensiv gelb, grün und rot in die Abenddämmerung leuchtet, sind Satelitenfotos, die aus großer Höhe in der Stratosphäre aufgenommen wurden. Eine verkehrte Welt, die sich im Wasser spiegelt: Das ist Poesie.

Ulrich Clewing

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