zum Hauptinhalt

Kultur: Brückenpfeiler

SOTTO VOCE Jörg Königsdorf will von Potsdam lernen Langsam wird es Zeit, dass man auch in Berlin die Zeichen der Zeit erkennt: Statt sich nämlich hartnäckig weiter als letzten Außenposten Westeuropas zu begreifen, hätten die Hauptstädter längst kapieren müssen, dass Berlin nur eine Metropole sein kann, wenn es sich als Brückenpfeiler zwischen Ost und West begreift. Der Regierende Bürgermeister preschte jüngst zwar schon mit der sinnvollen Idee vor, eine Transrapid Strecke von Berlin über Warschau bis St.

SOTTO VOCE

Jörg Königsdorf will

von Potsdam lernen

Langsam wird es Zeit, dass man auch in Berlin die Zeichen der Zeit erkennt: Statt sich nämlich hartnäckig weiter als letzten Außenposten Westeuropas zu begreifen, hätten die Hauptstädter längst kapieren müssen, dass Berlin nur eine Metropole sein kann, wenn es sich als Brückenpfeiler zwischen Ost und West begreift. Der Regierende Bürgermeister preschte jüngst zwar schon mit der sinnvollen Idee vor, eine Transrapid Strecke von Berlin über Warschau bis St. Petersburg zu bauen, doch bis die Erkenntnis über die neue Rolle Berlins reif ist, braucht es wohl noch etwas kulturelle Aufklärungsarbeit. Während die hiesigen Institutionen das Thema noch zögerlich angehen (die Staatsoper kooperiert in der kommenden Spielzeit wenigstens für Tschaikowskys „Pique Dame“ mit der Warschauer Oper), wird in Potsdam schon fleißig an der Korrektur des alten Selbstbildes gearbeitet.

Mit dem Motto „Europäische Brücken – Utrecht-Potsdam-St.Petersburg“ sind die Potsdamer Musikfestspiele in diesem Jahr nämlich ganz up to date, was den geforderten Mentalitätswechsel angeht. Wobei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, weil sich das Motto auch direkt aus dem Potsdamer Stadtbild mit „Holländischem Viertel“ und „Alexandrowka“ ableiten lässt. Musikalisch verspricht die Konfrontation jedenfalls einiges: erstens, weil die Musik am Zarenhof im 18. und 19. Jahrhundert bislang ebenso wenig im Bewusstsein ist wie die Alte-Musik-Szene, die sich in den letzten Jahren in Russland etabliert hat, und zweitens, weil die Niederlande nach wie vor in der historisierenden Aufführungspraxis eine Vorreiterrolle spielen. Beide Aspekte spielen schon heute im Eröffnungskonzert in der Friedenskirche eine Rolle, in dem das „Orchester Katharina die Große“ aus St. Petersburg und das niederländische Christofori Ensemble aufeinander treffen. Und bis zum 29. Juni haben die Berliner eine Gelegenheit, schon mal zu erleben, wie es sich so fühlt – als Brückenpfeiler.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false