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Sänger bryan Ferry am Mikrophon

© dpa

Bryan Ferry in Berlin: Der Anzug sitzt

Der Mann mit dem Stilbewusstsein wird 70. Bryan Ferry singt immer noch und feiert mit einem Konzert im Tempodrom in seinen Geburtstag rein - zumindest fast.

Wahrscheinlich wird er auf ewig der bestgekleidete Mann Englands bleiben. Sein Stilbewusstsein ist möglicherweise die Folge der proletarischen Herkunft. Bryan Ferry, am 26. September 1945 in Nordostengland geboren, ist der Sohn eines Bergarbeiters und trotzdem der einzige bekennende Konservative des britischen Pop. Selbst zu Zeiten der verhassten Margaret Thatcher hielt er – darauf hat Diedrich Diederichsen einmal hingewiesen – den Tories die Treue. Und anders als mancher Kollege hat Ferry Großbritannien niemals den Rücken zugekehrt, um weniger Steuern zahlen zu müssen.

Es passt ins Bild, dass beim Konzert im Berliner Tempodrom auf dem Devotionalientisch neben T-Shirts mit dem Schwarzweiß-Gesicht des jungen, betörend schönen Sängers auch Barbourjacken verkauft werden, die seinen Schriftzug tragen. Bryan Ferry steht im makellos-legeren schwarzen Anzug auf der Bühne, der Hemdkragen ist selbstverständlich offen. Beim Auftaktsong „Avonmore“ aus dem gleichnamigen, letztes Jahr erschienenen Album sind Ferry, seine siebenköpfige Band und die drei Backgroundsänger vor fächerförmigem Scheinwerferflackern von dunkelblauem Licht umhüllt. Der bestuhlte Saal verwandelt sich so in eine Mischung aus Luxusdisco und orientalischem Serail.

„How many a year has passed and gone / Many a gamble has been lost and won“

Rockriffs wie in Watte mischen sich mit säuselnder Saxofonmelancholie. Seit jeher wechseln sich bei Bryan Ferry die lasziv-einlullenden mit den energisch-euphorischen Momenten ab. Seinen Hit „Slave to Love“, unterlegt mit einem etwas zu aufdringlichen Gitarrensolo, spult er eher gelangweilt ab, später singt er mit größerer Leidenschaft einen weiteren Bekenntnissong über die Abhängigkeiten des Lebens, das zackige „Love is the Drug“ von seiner alten Band Roxy Music. „How many a year has passed and gone / Many a gamble has been lost and won“, heißt es in „Bob Dylan’s dream“.

Das klingt nach einem bitteren Lebensbilanzblues. Viele Freunde sind schon gegangen, viele Spiele wurden verloren. Ferry spielt Dylans Hobo-Lied in einem Block mit dessen Trennungsballade „Don’t Think Twice, It’s All Right“. Der erste Song versackt im Klaviergitarrengeigenwohlklang, beim zweiten wird seine Stimme allein vom Klavier begleitet – sie ist brüchig und unscharf geworden. Im letzten Winter hatte er sein Konzert in Berlin noch wegen einer Kehlkopfentzündung absagen müssen. Zu hören ist immerhin auch, dass Ferry besser Mundharmonika spielen kann als Dylan, dem er einst das Coveralbum „Dylanesque“ widmete.

Die besten Stücke des Abends stammen von Roxy Music. „Ladytron“ aus dem Debütalbum von 1972 beginnt als Desaster und wird dann zum Triumph. Das Stück, nach dem sich inzwischen eine Elektronikband aus Liverpool benannt hat, ist mit Kastagnetten und Klarinettenharmonien überzuckert, der Gitarrist reitet auf seinem Wah-Wah-Pedal, und am Ende explodiert alles in blinzelndem Regenbogenlicht. Ähnlich beeindruckend sind der pompöse Glamrock von „Stronger Through the Years“ und die halborchestrale Klangcollage „Tara“. Für seine Solokarriere hat Bryan Ferry die avantgardistischen Experimente von Roxy Music hinter sich gelassen. Er nahm einige beachtliche Platten auf, aber so gut wie mit der Band und den Kollegen Brian Eno und Phil Manzanera war er dann doch nie wieder.
Mit dem Konzert am Freitagabend feierte Bryan Ferry in seinen 70. Geburtstag hinein. Beinahe. Der Auftritt endete um 22.30 Uhr. Bei den Zugaben tanzte die gesamte ausverkaufte Halle. Herzlichen Glückwunsch.

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