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Kultur: BSE: Tafelspitzen

Naturgemäß sind Bauern, Metzger und Tiermehlfabrikanten die ersten Opfer jener schwer ergründlichen Krankheit, die nun, Wahnsinn!, wieder die Schlagzeilen beherrscht.

Naturgemäß sind Bauern, Metzger und Tiermehlfabrikanten die ersten Opfer jener schwer ergründlichen Krankheit, die nun, Wahnsinn!, wieder die Schlagzeilen beherrscht. Nicht vergessen wollen wir auch die zum Tode verurteilten Rinder, Schafe und menschlichen Patienten.

Trotzdem gibt es noch andere Erschütterungen. Bisher haben sich viele Kontinentaleuropäer mit einem vermeintlichen cordon sanitaire getröstet: der hieß Ärmelkanal, und erst dahinter lauerte die englische Krankheit, die etwa so fern schien wie heutzutage die französische. Außerdem gab es Brüssel, Fischer und Funke (dieser sogar ein optimistischer Dichter), und selbst die hartnäckigsten Liebhaber blutigen Beefs konnten noch immer auf die niedersächsische Weide oder die argentinische Pampa vertrauen. Aber wer weiß schon genau, was diese Herden von Toros alles so fressen? Im Winter, wenn auch der beste Gaucho schläft, tief unterm Kreuz des Südens?

Und nun kommt ein weiteres, ein kulturelles Problem - welches zunächst die Republik Österreich, das ehemalige Habsburgerreich sowie die zahlreichen Kolonien der Wiener Küche (vornehmlich in Berlin) betrifft. Was wird aus dem Tafelspitz? Was auch aus jenen tellerüberlappenden Schnitzeln, deren golden panierter Herrschaftsbereich sich vom Berliner "Café Einstein" bis zum "Figlmüller" im Schatten des Stephansdoms erstreckt? Gar nicht zu reden vom zarten, doch nunmehr fürchterlich einschlägigen Hirn mit Ei, vom Kalbsbries oder den (ach, eher schwäbischen) Markklößchen.

Statt solchen Teufelsspeisen bleiben der Wiener Küche, der österreichischen Identität, den italo-amerikanisch-germanisch-japanischen Touristen und allen, die nicht schon Mozart-, Haider- oder Sissy-gesättigt sind, nur noch die Mehlspeisen (original-lautmalerisch: die Möhspeisn).

Wobei das Wort "Mehl" ja auch schon fast anrüchig klingt: Als sei von den toten Tieren, erhitzen wir sie nur ein wenig und vermahlen sie, kaum etwas anderes mehr übrig als jenes Backpulver, in das der kannibalische Humorist Wilhelm Busch einst Max und Moritz verwandelt hat. Aber wenden wir das Thema auch mal ins Positive! Als Prometheus den Göttern das Feuer stahl, wurde der Mensch bestraft. Quod licet Iovi, non licet bovi, sagten die Römer. Was Jupiter erlaubt ist, gebührt nicht dem Rindvieh (namens Mensch; Bovine Spongiforme Encephalopathie heißt übrigens BSE). Jetzt hat die Schöpfung zurückgeschlagen - und wir werden Fische, Hühner und Grasfresser nicht mehr mit (ihrem) Fleisch füttern. Ein Sieg der Natur. Das werden wir der Seuche noch danken!

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